Disco Slowburner aus ganz anderen Sonnensystemen.
Der Weltraum - unendliche… naja du weißt schon
Die Faszination mit den Sternen ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Und auch wenn im Weltall niemand Schreie hören kann: Immer wieder gibt es Musik, die versucht, die Sterne in unsere Ohren zu holen. Mit Hit Parade kommt hier jetzt ein besonders beeindruckender Versuch:Róisín Murphy liefert auf ihrer neuen Platte eine verträumt funkige Discovision, für die unsere Galaxie einfach nur viel zu klein ist.
Ready for Take Off
Marsmissionen werden ja höchstwahrscheinlich auch mehrere Jahre dauern. Klar also, dass Hit Parade auch alles andere als ein Schnellschuss ist. Sechs Jahre lang schraubt Róisín Murphy wohl schon an ihrer Hitparade – also schon länger als ihr letztes Album alt ist. Aber der Beginn der Hit Parade-Reise ist wahrscheinlich viel eher das Album von jemand anderem: Denn 2018 brachte DJ Koze sein Meisterwerk Knock Knock heraus, bei dem auch die Irin ihren Gesang beisteuern durfte. Und so ziemlich jeder Mensch war sich einig, dass diese Kombination herausragend gut funktioniert. Die deutsch-irische Discofernbeziehung war also offiziell etabliert, kein Wunder also, dass DJ Koze auch für Hit Parade die Produktion übernimmt. Die beiden schickten sich über die Jahre Songskizzen und Produktionssessions hin und her, bis am Ende ein Album herauskam, mit dem keiner von beiden so richtig gerechnet hatte.Hit Parade ist da vielleicht sogar ein etwas irreführender Titel: Die Songs sind nämlich alle großartig, aber eben auch die Sorte, die gerne erst nach einer Weile zünden. Im Vergleich zu Róisin Machine drosselt sie hier oft das Tempo und lässt auch mal Zeit, beim Hören verträumt durch die Gegend zu starren.
Hier werden keine grobmaschigen Tanzflächenmagneten abgeliefert, Róisin Murphy erforscht hier vielschichtige, noch kaum bekannte Soundwelten zwischen Funk, Soul, Disco und gefühlt 30 Genres, die man erst noch erfinden muss.
International Dance Station
Vielschichtig ist eh schon eine Untertreibung, wenn man über den Sound von Hit Parade spricht. DJ Koze legt hier so viele Soundebenen übereinander, dass man beim Hören fast schon unter Samples verschüttet wird. Vielseitigkeit wird hier großgeschrieben: In "The Universe" fühlt man sich so, als würde man einer Funkband im Studio zuhören, "Can't Replicate" wird zum tranceartigen Housetrack und "Two Ways" klingt fast schon wie Róisins erster Ausflug in den Hyper Pop. Und sobald man das Gefühl bekommt, sich langsam aber sicher auszukennen, bekommt ihre Stimme einen von zahlreichen Effekten übergestülpt. Spätestens dann hat man wirklich das Gefühl, einem Alien zuzuhören. Wahrscheinlich waren die Ableton Live Sessions, die sich die beiden hin und hergeschickt haben, irgendwann komplizierter und vertrackter als so mancher Raketenbauplan.Genug Zeit zum Austoben bekommt DJ Koze sowieso: Mal abgesehen von zwei Interludes ist gerade mal ein Song unter vier Minuten lang, aber weil man ebenso gut wie jede Sekunde etwas Neues im Sound entdecken kann, strapaziert kein einziger Song die Gastfreundschaft. Wer also sehnlichst auf einen Nachfolger von Knock Knock wartet, bekommt ihn hier eben in leicht versteckter Form geliefert.
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