Parcels: Day/Night

Ja, sind das überhaupt noch Menschen? Oder sind das Roboter, die versuchen so zu tun, als wären sie Menschen? Oder eben doch Menschen, die der mechanischen Präzision einer Maschine nacheifern?

Wenn uns die Parcels nicht gerade zum Tanzen anstacheln, können sie ganz schön komplizierte Fragen aufwerfen: Denn ihre Songs sind perfekt zusammengefügte Hits, ihre Fähigkeiten an den Instrumenten fast schon übermenschlich. Müssen wir uns Sorgen machen, langsam aber sicher von einer eigenständig denkenden Art von Diskorobotern verdrängt zu werden? Fürs erste wohl eher nicht:

Denn das zweite Studioalbum der Parcels zeigt die menschliche Seite der Band – ganz ohne menschliche Schwächen.

 

Vom Morgengrauen bis zum Ende der Nacht

Eigentlich geht es beim neuen Album der Parcels zunächst einmal um andere Sachen als Menschen und Roboter: Day/Night ist ein Konzeptalbum über…. Na ja, eben das, was im Titel steht. So offensichtlich hätten es die Australier eigentlich gar nicht formulieren müssen: Opener "LIGHT" klingt unmissverständlich nach epischem Sonnenaufgang – wenn der Song bald in einer SpaceX-Werbung auftaucht, sollte eigentlich niemand überrascht sein. "SHADOW" eröffnet die zweite Seite des Albums zwar ebenfalls sehr streicherlastig, leitet aber trotzdem mit spät einsetzenden Gesangsharmonien unüberhörbar die nächtliche Phase der Platte ein. Die Day und Night Seiten winken sich noch öfter zu: So bekommt "Daywalk" später mit "Nightwalk" ein nächtliches Gegenstück und auch "Inside" hat seinen Gegenpart.

Aber trotz klar vorgegebenem Konzept machen die Parcels nicht den Fehler, sich allzu streng daran zu halten:

So sind zum Beispiel nicht alle gut gelaunten Songs auf der sonnigen Seite und umgekehrt: Sowohl Tag als auch Nacht bekommen vielseitige Songs spendiert. In der Nacht darf an mehreren Stellen bis zur Ekstase getanzt werden – "Famous" und "LordHenry" schreien geradezu nach durchschwitzter Clubnacht. "Icallthishome" passt dagegen perfekt zum abendlichen Einsamkeitsrotwein und falls die Parcels jemals einen Horrorfilm soundtracken sollten, hätten sie mit "Thefear" die perfekte Bewerbung.

Die vom Tageslicht durchtränkte Seite lässt es dagegen meistens etwas entspannter angehen: In "Comingback" wird zwar noch mit hektischem Groove die Wiedersehensfreude zelebriert, aber schon der folgende Track "Theworstthing" schmeckt eher nach verkatertem Liebeskummer in der Mittagssonne. Die Liebe ist sowieso mit all ihren Facetten immer wieder Thema für die Band: Es wird vermisst, gefeiert, nachgetrauert und resigniert. Das Thema geht der Band tagsüber nicht aus dem Kopf und lässt sie nachts nicht mehr schlafen – ein überaus menschliches Problem.

 

Alte Stärken neu verpackt

Auch wenn sich die Parcels deutlich mehr Zeit für ihre Songs und Ideen nehmen, haben sie ihre alten Stärken nicht aus den Ohren verloren: Die Grooves sind immer noch unverschämt lässig, die Vocals harmonieren nach wie vor in bester Brian Wilson-Tradition und sie schaffen es tatsächlich immer noch, die Leertaste konsequent zu ignorieren. Dank den vielen instrumentalen Interludes, den ausschweifenden Streichern und dem neu gefundenen Hang zur sanften Melancholie ist Day/Night aber eben so viel mehr, also nur eine Liste aus ziemlich guten Songs: Es ist ein in sich geschlossenes Album mit von vorne bis hinten durchgedachtem Konzept, das von enorm guten Musikern umgesetzt wurde.

Die Parcels schaffen es sogar dem totgeglaubten Album als solches wieder einen Sinn zu geben. Und nicht nur das: Weil sie mechanisch-effiziente Präzision für ihre künstlerische Vision hinten anstellen, zeigen die Parcels, dass sie eben doch Menschen sind.

Zwar unverschämt talentierte und coole Exemplare – aber eben doch Menschen.