Vor dem Alltag flieht man am Besten in die Wüste.
Man kann sich natürlich jeden Tag über etwas anderes Beschweren.
Die letzten Jahre um diese Zeit war der große Feind die Tristesse. Wir haben dem ausgefallenen Festivalsommer nachgetrauert und uns über den scheinbar immergleichen Pandemiealltag gelangweilt. Heute ist das anders: Jedes Wochenende wird eine andere Tour nachgeholt, überall springen Veranstaltungen aus dem Boden und Kontaktbeschränkungen sind grade auch kein Thema. Das ist natürlich wahnsinnig schön – kann aber auch zur maximalen Reizüberflutung führen. Immerhin kann auch hier die Musik sehr gut helfen:Mt. Joy liefern die perfekte Gelegenheit, den Alltag gegen einen imaginären Amerikaroadtrip zu tauschen.
Ohne Altersbeschränkung
Wer auf den Folkrock-Sound von The Lumineers und Lord Huron steht, dürfte sich bei Mt. Joy innerhalb von Sekunden wohlfühlen. Orange Blood fängt mit sanft angeschlagener Akustikgitarre an, bekommt ein paar flirrende elektrische Akkorde dazu, zu denen man am liebsten mit Arthur Morgan durch die Welt von Red Dead Redemption reiten möchte. Die fünfköpfige Band aus Philadelphia hatte beim Albumschreiben aber – trotz des Titels - definitiv keine blutigen Westernschießereien im Kopf: Nach einem zweiten, eher düsteren Trennungsalbum und einer dank Corona geplatzten Tour, schrien die Köpfe von Mt. Joy kollektiv nach einer Auszeit von all dem Stress. Die Band zog sich in eine Hütte mitten in der Wüste zurück und blendete das moderne Leben mit seinem alltäglichen Wahnsinn fast komplett aus.Und dort sahen Matt, Sam und Kollegen der Sonne zu, wie sie alles in ein orangenes Licht tauchte – die Inspiration für das neue Album war gefunden.
Wenn sie es denn wollen, können Mt. Joy gerne auch mal das Tempo anziehen: "Evergreen" ist der beste Beweis. Aber sonst lässt es die Band eher gemäßigt angehen – nach einem heißen Tag in der Wüste ist man ja auch viel zu erschöpft, um noch viel in der Gegend rumzuspringen. Langweilig wird Orange Blood trotzdem nie. Das liegt zum einen daran, dass Matt jeden Song so inbrünstig singt, wie als wäre er ein Coyote der den Mond anheult. Außerdem gibt die Band jedem Song einen eigenen Klang. "Don't It Feel Good" kommt fast ausschließlich mit Gitarrenpicking aus, "Lemon Tree" begeistert mit markantem Gitarrensolo und Westernsaloon-Klaviereinlage und für "Bathroom Light" wird die Akustikgitarre plötzlich Rhythmusinstrument.
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