Kevin Morby: Oh My God

Kevin Morby: Oh My God

Der Lieblingstonträger der Woche

Wie viel Religion verträgt ein Folk-Pop-Album, ohne dass es schrullig wirkt?

Religionslieder in fetzig oder eher Pop-Musik in altbacken?

Dafür, dass Folk von Natur aus schon eher mit einem altbackenen Image zu kämpfen hat, hat sich Kevin Morby in ein ziemlich gewagtes Gefilde der Songinspirationen begeben: Religion. Nachdem die Klänge seiner vergangenen Alben also aus dem Schaffen von Größen wie Lou Reed und Bob Dylan zehrten und sich Themen wie Los Angeles oder New York widmeten, wird sich nun an kirchlichen Lobgesängen genährt und dem Herrn im Himmel munter zugeprostet.

Irgendwie ungewohnt, wenn nicht gar verstörend für unsere eher atheistischen Ohren. All die sakralen Akkorde, die Chöre, das Flehen und Huldigen gen Himmel wirken dabei fast wie Weihwasser auf dem Gesicht Regan McNeils aus The Exorcist. Die Reaktion: das große Kotzen - wenn man sich nicht stark genug darauf konzentriert, über das ganze Thema hinweg zu blicken und auf die Bedeutung dahinter zu fokussieren. Kevin Morby geht es nämlich auf Oh My God nicht darum, einem Gott zu frönen. Kevin Morby würde sich selbst nicht mal wirklich als gläubige Person bezeichnen. In seiner Erziehung spielte Religion nie eine große Rolle. Doch irgendwie wirkt sie auf Kevin Morby dennoch immer tröstlich. Klar, die Versprechen sind super: mit einem starken Glauben ist man nie allein. Glauben spendet Kraft. Glauben erlöst dich von all den Verantwortungen über dein eigenes Leben - immerhin ist dann stets jemand anders für dein Leiden Schuld: Gott.

So geht es auf Kevin Morbys neuestem Werk auf der zweiten Ebene nach wie vor um gute, alte, dankbare Songwriter-Themen: Zweifel, Leid, Unsicherheiten. Und ebendiese kirchgesangsähnlichen Melodien und Ausrufe, die Oh My God zu bieten hat, bezwecken immerhin, dass man Lust zum lauten Mitsingen bekommt. Das war ja auch das beste an den Kirchenbesuchen - die Songs sind thematisch zwar eher whack, klanglich aber doch recht fetzig. Mit Oh My God bekommst du diesen Spaß jetzt auf deine Heimboxen geliefert. Amen!

Überhaupt lohnt es sich, die Bedeutung des Glaubens auf eine nochmal andere Ebene zu hieven. Denn im Prinzip hat Kevin Morby ja recht: Glaube ist super und ist genau das, was uns als Menschheit am allermeisten fehlt. Allerdings nicht der Glaube an ein höheres Wesen oder eine andere Kraft, die die komplette Verantwortung für unser Schaffen trägt. Sondern viel mehr der Glaube an uns selbst.
Klingt shanti, könnte aber auch die Lösung für so einige Probleme dieser Welt sein. Und wenn wir dann erstmal alle unsere eigenen Meister oder Meisterinnen sind, wird hoffentlich auch endlich dieser stupide Streit um den besten imaginären Freund oder Freundin beendet.

Nun wirkt das Ganze letztlich dann doch schon weniger altbacken, was?





Tracklist: Kevin Morby - Oh My God

01 Oh My God
02 No Halo
03 Nothing Sacred / All Things Wild
04 Omg Rock N Roll
05 Seven Devils
06 Hail Mary
07 Piss River
08 Savannah
09 Storm (Beneath The Weather)
10 Congratulations
11 I Want To Be Clean
12 Sing A Glad Song
13 Ballad Of Faye
14 O Behold

Oh My God von Kevin Morby wurde am 26. April 2019 via Dead Oceans veröffentlicht.

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