Jordan Rakei: What We Call Life

Jordan Rakei: What We Call Life

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens – 42 zählt nicht als Antwort.


In den eigenen Kopf einzutauchen, kann so ziemlich die gruseligste Erfahrung sein, die man je erleben kann.


Klar, auf den ersten Block kennt man sich darin bestens aus, alles ist irgendwie vertraut. Aber je länger man sucht, desto mehr Sachen findet man – Sachen, die vielleicht vieles erklären, aber eben auch Sachen, die man vielleicht lieber nicht Vollgas konfrontiert hätte. Jordan Rakei hat trotzdem genau das getan und seine Reise in sein Unterbewusstsein genau dokumentiert:

Das Ergebnis ist sein viertes Album What We Call Life – sein intimstes und vielleicht sogar bestes Werk.


 

Wie geht's uns denn heute?

Man kann es sich vielleicht schon denken, aber What We Call Life ist im Zuge einer langen Therapie entstanden. Jordan war sowieso schon immer sehr an der Selbstreflexion interessiert, da war das nur der logische nächste Schritt. Und die Lektionen, die er währenddessen über sich selbst gelernt hat, wollte der mittlerweile in London lebende Künstler auch in Songs verwandeln.

Für Jordan ging es dabei mehr als einmal über Wohlfühlgrenzen hinaus.


"Family", gleich der erste Song der Platte, ist wohl der persönlichste Track aus seiner Feder: Jordan verarbeitet die Trennung seiner Eltern und wie seine Kindheit darunter gelitten hat. Der Song ist weder Anklage noch Vergebung – Jordan schwebt zwischen Frust, Verständnis und unerschütterlicher Liebe und findet irgendwo dazwischen seine eigene Wahrheit. Auch "Send My Love" richtet sich zumindest teilweise an die eigene Familie: Dort schickt der Künstler Grüße an die fast 20.000 Kilometer entfernte Heimat Neuseeland und stellt trotz aller Wehmut fest, wie gut er mittlerweile auch auf eigenen Beinen stehen kann. Auch "Wings" setzt sich mit dem Neustart in London auseinander und der Titeltrack "What We Call Life" versucht nachzuvollziehen, was der junge Jordan vom Leben erwartet hat.

Dabei bleibt Jordan fast nie eindeutig, seine Emotionen sind immer vielseitig:


So stellt er zwar in "Illusions" schonungslos seine eigenen Privilegien in Frage, untermalt den Song dann aber doch mit dem wohl fröhlichsten Beat der Platte. Das Künstler*innen ihre Songs gerne mit sehr persönlichen Botschaften ausstatten ist zwar keine Seltenheit mehr, aber so komplexe Einblicke wie Jordan Rakei sie bietet, sind dann doch sehr selten.


 

Soundtrack eines Lebens

Genau wie sich die Gefühle in alle möglichen Richtungen ausbreiten, fließen Jordan Rakeis Soundflächen ebenfalls in alle möglichen Spektren. "Family" hat zwar den Basslauf eines klassischen Soulsongs, aber Drums wechseln zwischen digitalen und organischen Klang hin und her: Alles wirkt gleichzeitig vertraut und behutsam und dann doch wieder unbekannt und leicht beunruhigend - eine Soundmischung, die sich durch das gesamte Album zieht.

Jordan hat sich für What We Call Life das wohl komplexeste und vielseitigste Thema überhaupt herausgesucht – und es ist wirklich beeindruckend, wie angemessen er es vertont.

  • Jordan Rakei: What We Call Life
    Das Album der Woche



Tracklist: Jordan Rakei - What We Call Life

01 Family
02 Send My Love
03 Illusion
04 Unguarded
05 Clouds
06 What We Call Life
07 Runaway
08 Wings
09 Brace
10 The Flood

What We Call Life von Jordan Rakei wurde am 17. September 2021 via Ninja Tune veröffentlicht.

Design ❤ Agentur zwetschke