Asoziale Vollrauschparty und fast schon hochkulturelle Sozialkritik – Deichkind kriegen auf ihrer neuen Platte beides hin.
Erste Regel jeder Houseparty: Sei niemals der Gastgeber. Ein goldener Vorsatz, vor allem seit Deichkind diesen einen Song herausgebracht haben.
"Remmidemmi" war Ende und Anfang gleichzeitig: Bis dahin waren die Hamburger noch für ihre Hip Hop-Tracks bekannt, mit diesem Song wurden Deichkind zu Elektropartypunkern.
Und das sind sie auch heute noch: Die neue Platte Wer Sagt Denn Das? versucht gar nicht erst, irgendwas am Image von Deichkind zu verändern – dafür zeigt sie, wie viel Hirnschmalz sich zwischen dröhnenden Bässen verstecken kann.
Die Zerstörung des Alltags
Hirnschmalz? Das mag einem beim Lesen der Tracklist vielleicht noch komisch vorkommen... Bei Songnamen wie "Bude voll People" oder "1000 Jahre Bier" erwartet man schließlich nicht unbedingt große Weisheit. Aber schon der Titeltrack macht klar wohin die Reise geht:Deichkind stopfen einfach mal so gut wie jedes Diskussionsthema der letzten Jahre in den Song. Fake News, angeblich faule Millenials, gekaufte Follower – alles und noch viel mehr.
Auch sonst wird so gut wie jeder Teil des modernen Lebens analysiert und kommentiert. "Cliffhänger" widmet sich dem Bingewatching, "Quasi" macht sich an Alltagsheuchelei zu schaffen und bei "1000 Jahre Bier" wird es mit der Hilfe von Rammstein-Sänger Till Lindemann sogar noch richtig politisch.
Kann man bei so einer Masse an Themen überhaupt noch richtig feiern? Deichkind können!
Die Beats gehen wie üblich - Entschuldigung für den Ausdruck - Vollgas in die Fresse. Die Hip Hop-Wurzeln von Deichkind hört man höchstens noch in "Gewinne Gewinne" und "Alles außer Sunshine" raus, ansonsten gibt es 18 Tracks lang vor Energie fast schon explodierenden Elektropunk.
Vor allem bei "Keine Party" laufen Text und Musik dann irrwitzig weit auseinander: Man hört Menschen beim über's Feiern Ablästern zu - über einen Beat, bei dem man das eskalierende Festivalpublikum schon vor dem geistigen Auge sehen kann: Solchen turbointelligenten Blödsinn kann halt auch nur Deichkind.
Lebenswerk: Remmidemmi
Es dauert übrigens gerade mal handgestoppte 16 Sekunden, bis der Überhit von früher zum ersten Mal genamedroppt wird. Deichkind zitieren sich auf Wer Sagt Denn Das? immer wieder selber. Aber das ist eigentlich nur folgerichtig: So gut wie jeder von uns hat doch schon mal "Arbeit nervt" mitgegröhlt, auf dem Festival zu "Illegale Fans" abgetanzt oder mal im Gespräch zum richtigen Zeitpunkt "Leider Geil" für ein paar anerkennende Lacher fallen gelassen.Deichkind sind sich schon klar darüber, was sie mit ihren Songs ausgelöst haben. Und weil ihr Thema immer noch die Gesellschaft als Ganzes ist, können sie sich selbst mittlerweile kaum mehr rauslassen: Dafür waren sie eben schon viel zu einflussreich.
Tracklist: Deichkind - Wer Sagt Denn Das?
01 #wsdd 02 Wer Sagt Denn Das?
03 1000 Jahre Bier
04 Dinge
05 Cliffhänger
06 Keine Party
07 Knallbonbon
08 Bude Voll People
09 Endlich Autonom
10 Gewinne Gewinne
11 Party 2
12 Richtig Gutes Zeug
13 Quasi
14 Powerbank
15 Ich Bin Ein Geist
16 Sonate in f-Doll
17 Alles Außer Sunshine
18 Wo's Das Feuer?
Wer Sagt Denn Das? ist am 27. September auf Sultan Günther Music erschienen.
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