Courtney Barnett: Things Take Time, Take Time

Musik verändert sich stetig und die letzten Monate gab es immer öfter eine neue Albumgattung zu hören:

Denn der erste Lockdown hat alle Musiker*innen vor eine merkwürdige Situation gestellt. Auf der einen Seite gab es für dich chronisch gestresste Zunft plötzlich unglaublich viel neue Zeit an Songs zu schreiben, allerdings bekam man eben auch nicht viel mehr als die eigenen vier Wände zu sehen. Inspiration zu finden wurde also gleichzeitig wesentlich schwieriger – und so wurde das Lockdown-Album geboren. Eine meist etwas zurückgenommenere und in sich blickende Songsammlung, an der sich viele Künstler*innen versucht haben.

Eigentlich fast schon merkwürdig, dass Courtney Barnett so lange mit ihrer Variante gewartet hat, denn streng genommen hat sie das Lockdown-Album perfektioniert, bevor es überhaupt erfunden wurde.

Müllabfuhr und Triage

Im Vergleich zu den Kolleg*innen hatte Courtney während der Pandemie einen großen Vorteil: Sie hatte nie Probleme damit, sich von scheinbar kleinen Kuriositäten inspirieren zu lassen. Ihre Songs erzählen vom Lebensmitteleinkauf, von Wohnungsbesichtigungen, vom awkwarden Flirten im Schwimmbad und vom Gemüsebeet im Garten. Ganz folgerichtig fängt Things Take Time, Take Time auch mit einem vorbeifahrenden Müllwagen an. Aber da hört Courtney Barnett eben nicht auf: Der Opener "Rae Street" wechselt von Zeile zu Zeile zwischen der Langweile drinnen und der Panik draußen hin und her und fasst die Lockdownstimmung von gelangweilter Hilflosigkeit perfekt zusammen.

"All our candles, hopes and prayers though well-meanin', they don't mean a thing unless we see some change I might change my sheets today."

Ihre Fähigkeit, die kleinen Dinge des Lebens mit dem großen Chaos der Welt zusammenzubringen, hat schon die bisherigen Platten perfekt zur Selbstbesinnung gemacht und Things Take Time, Take Time macht genau da perfekt weiter.

 

Return of the Slackerqueen

Trotzdem unterscheidet sich Courtneys drittes (oder viertes, ja nachdem ob man die EP Collection mitzählen möchte) Album doch hörbar von den Vorgängern. Weil das Album eben zu Hause entstehen musste und man zu Quarantänezeiten natürlich keinen Nachbarschaftskrawall auslösen darf, fehlen die verzerrten Gitarren, die man aus "Pedestrian at Best" oder "Charity" kennt. Das Album nimmt zwar gerne mal etwas mehr Tempo auf, vor allem "Before You Gotta Go" und "Write A List of Things to Look Forward To" laden zum Tanzen ein, aber die Songs kommen eben ohne Schreie aus und bleiben eher in Courtneys Komfortzone. Außerdem wurde das Schlagzeug hin und wieder gegen den elektronischen Doppelgänger ausgetauscht, der Einfluss von Produzentin Stella Mozgawa scheint deutlich durch.

Und während Courtney vor allem auf dem letzten Album Tell Me How You Really Feel noch sehr deutlich ihren Frust hörbar gemacht hat, fühlt sich Things Take Time, Take Time viel mehr wie eine aufbauende Umarmung an.

Statt im Coronafrust unterzugehen, hat sich Courtney Barnett an den wenigen Hoffnungsschimmern hochgezogen. "Turning Green" feiert zum Beispiel das Wiederaufblühen der Natur und eine heranwachsende Freundschaft, "Take it Day by Day" findet Trost in der Routine und "Before You Gotta Go" lässt sogar eine Trennung positiv und freundschaftlich abschließend klingen. Die sonst auch gerne mal zynische Courtney hat ganz genau verstanden was die Welt von ihr braucht und ihre Texte sind auch ohne Sarkasmus absolut brillant.

Wer also zwischen allem Frust eine Schulter zum Anlehnen, oder ein bisschen Begleitmusik zur Quarantäne braucht, findet in Things Take Time, Take Time genau das. Indem sie einfach nur ihre Stärken weitergedacht hat, hat Courtney Barnett das perfekte Lockdown-Album geschrieben – eines, das wir hoffentlich bald auch ohne Anlass so richtig genießen können.