Keine Sorge: Das Cover ist das schlimmste an der Platte.
Der beste Tag im Leben ist mit ganz schön viel Arbeit verbunden
Könnte man zumindest glauben. Schließlich spricht kaum keine*r vom größten Tag, wenn man den ganzen Tag mit Serienmarathon im Bett verbracht hat. Aber vielleicht ja auch nur, weil niemand zuhört: Vielleicht ist der beste Tag im Leben ja auch einfach nur der entspannte Abend am See oder der mit dem verschneiten Spaziergang durch den Park. So in etwa sehen das Bombay Bicycle Club.Wenn es nach ihnen geht, darf man den besten Tag im Leben auch gerne verschlafen - und dabei trotzdem noch fantastisch klingen.
Egal ob London oder Bombay, Hauptsache Fahrrad
Wer waren Bombay Bicycle Club nochmal? Enttäuschenderweise eine Band, die relativ wenig mit Bombay und noch weniger mit Fahrrädern zu tun hat. Eigentlich kommt das Quartett aus Nordlondon und machte während der goldenen Hochphase des Indierocks zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Halt weniger mit Lederjacken und Mitgröhlrefrains, dafür mit cleveren Hooks und absolut keiner Scheu davor, sich immer wieder neu zu erfinden. Anders wie andere Bands aus der Zeit haben Bombay Bicycle Club jetzt zwar vielleicht nicht den einen Hit, der auf jeder Indieparty aus vollem Halse mitgegrölt wird - dafür aber eine wunderbar vielseitige Plattensammlung und eine ziemliche Garantie, dass ein neues Album nicht nur aus aufgewärmter Nostalgie besteht. Erst recht nach der kurzen Bandauszeit und dem hervorragenden Comeback Everything Else Has Gone Wrong (hihi, süß wie wir damals dachten, dass die Welt grade ziemlich am Arsch ist) war allen ziemlich klar, wie wichtig diese Band fürs kollektive Wohlergehen ist. Die nächste Platte macht da zum Glück genauso stark weiter:My Big Day bekommt jetzt auch noch den Spagat hin, gleichzeitig frisch innovativ, aber doch irgendwie angenehm vertraut zu klingen.
Wie das? Naja, man merkt schon ziemlich schnell wie breit gefächert sich die Band mittlerweile definiert: "Just A Little More Time" klingt eher lässig und soulig anstatt nach Gitarrenindie, "I Want To Be Your Only Pet" klingt mit seinem jazzigen Drumgroove und verzerrtem Sound nicht direkt nach "Chelsea Dagger" und "Rural Radio Predicts The Rapture" klingt genauso abgedreht wie der Songtitel. Die Gitarren bleiben aber nicht den ganzen Big Day über im verstaubten Koffer: "Turn The World On" ist verträumter Indiepop in absoluter Meisterform und auf "Onward" darf sich die ganze Band noch alles gewünschte von der Seele Schreddern.Gästeliste: Exklusiv inklusiv
Warum My Big Day dann in der eh schon so vielseitigen Diskographie von Bombay Bicycle Club nochmal besonders raussticht, liegt dann gar nicht mal so sehr an der Band selbst: Die Londoner haben sich nämlich ordentlich Verstärkung geholt - aus wirklich allen Richtungen: Es sind Künstler*innen mit am Start, die vor allem die letzten Jahre ordentlich für Hinhören gesorgt haben, aber auch absolute Legenden wie Damon Albarn und im größten Plottwist seit Ewigkeiten sogar Chaka Khan. Die Gästeliste ist dabei nicht nur Show, jede*r drückt dem jeweiligen Song den ganz eigenen Stempel auf. Holly Humberstone darf zum Beispiel ihr Talent für emotionale Refrains im Duett mit Jack Steadman zeigen. Damon Albarn verwandelt "Heaven" in eine Art trippige Spät-Gorillaz Nummer und auf "Meditate" rangeln Nilüfer Yanya und die Band auf verspielte Weise um das Rampenlicht und liefern auf einem eh schon fantastischen Album noch dass ziemliche Highlight ab.Bombay Bicycle Club bekommen hier also so einiges auf die Kette: Sie schaffen es auch beim sechsten Album keinerlei Abnutzungserscheinungen zu zeigen, sie präsentieren die vielleicht exklusivste Gästeliste ohne sich irgendwie verstellen zu müssen und schaffen es dabei auch noch fast schon frech entspannt und lässig zu klingen - obwohl man der Platte die harte Arbeit natürlich anhört.
My Big Day fühlt sich so ein bisschen wie eine entspannte Gartenparty an, bei der man nicht ständig im Mittelpunkt stehen muss, sondern auch mal locker ein paar anderen Geschichten am Tisch lauschen kann.
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