Ben Howard: Collections from the Whiteout

Ben Howard: Collections from the Whiteout

Der Lieblingstonträger der Woche

Von  Vitus Aumann
Man kann nie wissen, was Ben Howard als Nächstes vorhat, aber das Ergebnis ist fast immer brillant.

Ben Howard kann vor allem eines ziemlich gut: Die Erwartungen seiner Fangemeinde enttäuschen.

Das klingt jetzt nicht unbedingt nach einem Kompliment, aber Ben hat eben wirklich ein Talent dafür, immer die Abzweigung zu nehmen die keiner kommen sieht. Auf sein allseits geliebtes, hitlastiges Debütalbum folgte dann mit I Forget Where We Were eine wesentlich komplexere und etwas unzugänglichere Platte – die aber dann gegen die düsteren Klangkomplexe vom dritten Album Noonday Dream schon fast wieder zahm wirkte.

Bei einer neuen Ben Howard Platte bekommt man also selten das was man erwartet – und auch Collections from the Whiteout geht ziemlich ungewohnte Wege.


  • Ben Howard - Collections from the Whiteout
    Der Lieblingstonträger der Woche

Vom Gitarrenheld zum Klangarchitekt

Mittlerweile ist man es ja gewohnt, aber auch die vierte Platte von Ben Howard setzt nicht gerade auf die Stärken der Vorgängeralben. Ohrwürmer wie "Keep Your Head Up"? Größtenteils Fehlanzeige. Epische Stimmungswechsel wie in "End Of The Affair"? Eher nicht. Und die düstere Noonday Dream Klangkulisse hat sich deutlich aufgehellt: Natürlich macht Ben Howard keine gute Laune Musik, aber Collections from the Whiteout klingt viel mehr nach leicht nachdenklicher Zugfahrt durch die Wildnis, als nach beklommener Bootsfahrt bei Neumond.

Von seinen Folkrock Wurzeln ist Ben mittlerweile ziemlich weit entfernt:
Klassische Songstrukturen tauchen kaum mehr auf, es fühlt sich ein bisschen so an als würde Ben den Songs ein Eigenleben einhauchen und sich langsam von ihnen mittreiben lassen. Seine Gitarre hört man zwar immer wieder durch, aber sie versteckt sich auch gerne mal hinter knarzenden Drumcomputern, dumpfem Piano oder verzerrten Synthies.

Collections from the Whiteout ist also keine Platte geworden, die mit epochalen Refrains und Strophen abholt, sondern etwas für jeden, der sich gerne in träumerischen Klangwelten verliert.



Teamleistung

Für sein viertes Album hat sich zum ersten Mal namhafte Unterstützung gesichert: The National Gitarrist Aaron Dessner, der spätestens seit er im letzten Jahr mit Taylor Swift gearbeitet hat zur absoluten Produzentenelite gehört, hat die Platte produziert und auch mitgeschrieben. Und auch an den Instrumenten hört man spannende neue Gesichter: Es gibt wahrscheinlich nicht allzu viele Musiker*innen die mit Ben Howards Fähigkeiten mithalten können, aber mit Yussef Dayes hat er einen kongenialen Partner gefunden.

Der Jazzschlagzeuger verziert Songs wie "Crowhurst’s Meme" oder "Sage That She Was Burning" mit so herrlich vertracktem Groove, dass man die beiden eigentlich nie mehr trennen möchte. Aber so wie man Ben Howard kennt, hat er wahrscheinlich schon den nächsten kompletten Neuanfang vor.

Schließlich ist der Brite ein absoluter Meister darin Erwartungen gekonnt auszutricksen – und stattdessen etwas abzuliefern, von dem wir noch gar nicht wissen konnten, wie sehr wir es hören wollten




Tracklist: Ben Howard - Collections from the Whiteout

01 Follies Fixture
02 What A Day
03 Crowhurst's Meme
04 Finders Keepers
05 Far Out
06 Rookery
07 You Have Your Way
08 Sage That She Was Burning
09 Sorry Kid
10 Unfurling
11 Metaphysical Cantations
12 Make Arrangements
13 The Strange Last Flight of Richard Russell
14 Buzzard

Collections from the Whiteout von Ben Howard wurde am 26. März 2021 via Universal veröffentlicht.

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