Vom Unbehagen der Kritik

Vom Unbehagen der Kritik

Experte Thomas Edlinger im Gespräch mit Max

Warum kritisieren wir andere? Und was hat es mit Impfkritik und Political Correctness auf sich? Der Buchautor und Kritikexperte Thomas Edlinger war bei Max zu Gast.


Gute Kritik 

Im Rahmen unserer Woche zum Thema Kritik hat Thomas Edlinger bei uns vorbeigeschaut: Der Wiener ist Radiomacher, Kulturjournalist und Autor des Buches Der wunde Punkt: Vom Unbehagen der Kritik.
"Kritik ohne Selbstkritik ist keine." - Thomas Edlinger
  • Thomas Edlinger zu Gast bei Max
    Das Interview zum Nachhören

 
Thomas Edlinger erklärt die Welt der Kritik 


In seinem Buch spricht der Autor über zwei Arten der Kritik, die Unbehagen verursachen können. Zum einen, wenn die Kritik nicht zur Verbesserung von kritisierten Umständen führt:

"Das kennt man zum Beispiel in der Dauerkonjunktur der Kapitalismuskritiker." - Thomas Edlinger 

Zweitens, die Hyperktitik: eine Kritik, die darauf abzielt eine Art Wettbewerb zu sein, wer die kritischste Position inne hat. 

Kritik in sozialen Netzwerken


Kritik ist in allen Lebensbereichen vertreten, aber wieso denken wir bei dem Thema sofort an die sozialen Netzwerke? 
"Das was normalerweise Kritik bedeutet, also einen Schritt zurück oder eine Art Selbstreflexion, von Distanzierung findet in den digitalen Medien natürlich kaum statt."- Thomas Edlinger 

Man empört sich über etwas und so schnell kann es zu einem Shitstorm kommen. Früher fanden solche Auseinandersetzungen im Wirtshaus statt - damals hatte man jedoch noch ein dauerhaftes Gegenüber. 
"Deshalb ist im digitalen vieles so unkontrollierbar- weil man nicht weiß, was für Zündungen in Gang gesetzt werden". - Thomas Edlinger 

Auch Anonymität spielt dabei eine große Rolle.

"Man braucht ja nur jüngst an den Sturm auf Kapitol denken. Das ist ja organisiert worden, weitgehendste durch soziale Netzwerke." - Thomas Edlinger 


Wie viel Kritik verträgt ein System? 

"Die Möglichkeit und die Wichtigkeit zu kritisieren ist natürlich unstrittig und ist natürlich eine Grundvoraussetzung von demokratischer Praxis." - Thomas Edlinger

Demokratie wird von Kritik angetrieben - allerdings ist der Begriff "Kritik" sehr weit gefasst und daher kann Kritik jeder und jede in Anspruch nehmen.


Ist Kritik mit der Abneigung vor Political Correctness verwandt, den viele Menschen empfinden?

"Dass was viele Menschen früher darunter verstanden wurde, war eigentlich eine Vermehrung und eine Erweiterung von Diskurs- und Kommunikationsformen. Also Leute, die vorher nicht sichtbar waren, bekamen Sichtbarkeit." - Thomas Edlinger 

Heute gibt es jedoch auch andere Fälle, die laut dem Experten bedenklich sind, zum Beispiel in der Literatur. Alltägliche rassistische Begriffe sollten laut Thomas Edlinger am besten ganz verschwinden.

"Es gibt gar keinen Grund, einen beleidigenden Umstand in der Sprache aufrecht zu erhalten."- Thomas Edlinger 


Impfkritik


Die Verschwörungstheoretiker*innen werden zu Impfkritiker*innen und die Leute, die normal eher kritisch sind, einigen sich darauf, Impfkampagnen mitzutragen. Die Positionen verkehren sich. "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen" ist wohl der typische Spruch der Kritiker*innen. 

"Das ist eine Art, eine denunzierende Praxis zu veredeln. Der Begriff der Kritik wird entwertet, weil er zu viel umspannt." - Thomas Edlinger

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