Vermisst und wieder aufgetaucht?

Vermisst und wieder aufgetaucht?

Werner Kraus im Interview mit egoFM Elise

Wie oft tauchen vermisste Menschen wieder auf und ab wann gilt man überhaupt als vermisst? Das weiß Kriminalhauptkommissar Werner Kraus.



Triggerwarnung: Gewalt gegen Frauen



Als Natascha Kampusch 2006 plötzlich in einem Wiener Vorort auftauchte, nachdem sie acht Jahre lang vermisst worden war, war die Aufmerksamkeit groß. Jahrelang wurde sie festgehalten und konnte letztendlich doch fliehen. Es ist vermutlich einer der bekanntesten Vermisstenfälle. Natascha Kampuschs Schicksal ist ziemlich berührend, aber nicht einzigartig, denn ab und an kommt es vor, dass vermisste Menschen wieder auftauchen. Werner Kraus, erster Kriminalhauptkommissar vom Polizeipräsidium München, weiß, ab wann jemand überhaupt als vermisst gilt.
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    Kriminalhauptkommissar Werner Kraus im Interview mit egoFM Elise

Ab wann gilt jemand als vermisst?

Wenn wir von vermissten Menschen sprechen, denken wir oft gleich an Entführungen. Allerdings ist das nicht immer der Grund für das Verschwinden. Zudem wird zwischen Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen unterschieden. Sobald die Aufsichtspersonen nicht mehr wissen, wo sich ihre Kinder befinden, gelten diese als vermisst. Bei Erwachsenen ist das etwas anders, schließlich haben sie keine Erziehungsberechtigten und können sich theoretisch aufhalten, wo sie wollen. Als vermisst gilt eine erwachsene Person dann, wenn Anzeichen für einen Unglücksfall oder ein Verbrechen vorliegen oder wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie an einer Krankheit leidet, hilflos sein und/oder sich etwas antun könnte, erklärt der Kommissar. Laut dem Bundeskriminalamt werden in Deutschland täglich circa 200 bis 300 Fahndungen neu erfasst. Fast genauso viele werden wegen Erledigung aber auch wieder gelöscht. 
"Wenn wir keine Anzeichen haben, dass eine Straftat passiert oder ein Unglücksfall passiert ist, dann werden wir unsere Ermittlungen erst einmal einstellen, weil man natürlich von dieser Sache immer ausgehen muss, dass ein Erwachsener seinen Aufenthaltsort oder sein Leben neu gestalten möchte." – Werner Kraus


Der Fall Sonja Engelbrecht

Um Vermisste wieder zu finden, wendet die Polizei sämtliche Mittel auf - von Hubschraubern, Spürhunden über Vernehmungen von Zeug*innen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen, die sehr lange vermisst wurden, nach Jahren wieder unversehrt und vor allem lebend auftauchen, sei sehr gering, erzählt Werner Kraus. Als Beispiel nennt er den Fall von Sonja Engelbrecht. Vor 26 Jahren verschwand die damals 19-jährige nach einer Party spurlos. Im Sommer 2020 fand ein Forstarbeiter in einem Waldstück bei Eichstätt einen menschlichen Oberschenkelknochen. Nach einer DNA-Typisierung konnte er Sonja Engelbrecht zugeordnet werden.


Frauen und Gewalttaten

Was wirklich in der Nacht passiert ist, in der Sonja verschwand, ist bis heute nicht aufgeklärt. Mehrere Zeuginnen berichteten, in der Nacht von einem Mann angesprochen worden zu sein. Oft verbinden wir Straftaten auch eher mit männlich gelesenen Personen, als mit Frauen. Werner Kraus gibt dazu folgende Einschätzung:
"Eine Entführung ist auch immer eine Gewalttat. Und bei Gewalttaten haben wir einfach einen sehr hohen Anteil von männlichen Straftätern, was vermutlich auch an der körperlichen Konstitution, in der Konstitution des Mannes [liegt]." – Werner Kraus

Im Vergleich zu früher, sei es heute aber oft leichter, Straftaten aufzuklären. Laut Werner Kraus liegt das vor allem am technischen Fortschritt. Man habe ganz andere Möglichkeiten, an Täter*innen und Tatverdächtige heranzukommen. Bei Cold Cases, also früheren bisher ungeklärten Fällen, könne man im Nachhinein die Täter*innen finden, indem man DNA-Spuren auswertet.

Weniger Erpressungen und Entführungen als früher

Dieser technische Fortschritt führt auch dazu, dass heutzutage weniger Erpressungen und Entführungen passieren als vor ein paar Jahrzehnten. Die Chance, so etwas wie eine Lösegeldforderung erfolgreich durchzuziehen sei viel geringer, weil die Wahrscheinlichkeit, von den Ermittlungsbehörden ertappt zu werden so immens gestiegen ist. Werner Kraus weist aber auch darauf hin, dass sich Ermittler*innen nach wie vor an Gesetze halten müssen.
"Eine polizeiliche Ermittlung muss immer auf der Grundlage des Rechts oder auch des Rechtsstaates ablaufen. Wenn man das Recht verlässt und Mittel anwendet, die nicht im Rahmen des Rechtsstaats möglich sind, ist es etwas, was vom Ethischen und Moralischen her auch nicht geht." – Werner Kraus




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