Pedro Almodóvar, der spanische Lyriker unter den Filmschaffenden, hat seinen ersten englischsprachigen Film produziert – eine Studie über Leben und Tod. egoFM Kinoexperte Fabian Broicher hat in 'The Room Next Door' jedenfalls geweint.
Es ist (fast) nie zu spät
Selbst mit 75 wagt Pedro Almodóvar noch etwas Neues. In diesem stolzen Alter hat der spanische Regisseur nämlich seinen ersten Film auf Englisch produziert. The Room Next Door heißt er, eine Verfilmung des Romans Was fehlt dir von Sigrid Nunez.
Und trotz der neuen Sprache, ist es ein typischer Almodóvar-Film geworden
Er dringt direkt, beinahe unbarmherzig in die düstersten Traumata seiner Charaktere vor, diesmal von einer im Sterben liegenden krebskranken Frau. Dabei findet der Filmemacher eine tragikomische Ästhetik, die so allgegenwärtig ist, dass sie die Kinoleinwand fast zu sprengen vermag. Man denke an seine vorherigen Werke: Volver mit Penélope Cruz, Die Haut, in der ich wohne mit Antonio Banderas, und natürlich Alles über meine Mutter, für das Almodóvar 2000 den Oscar gewann.
Hochpoetische Filme zwischen Anspruch, Schmerz, Komik und Unterhaltung. Und in genau diesem Grenzbereich bewegt sich auch The Room Next Door.
Die Bestseller-Autorin Ingrid gibt in Manhattan gerade eine Lesung, als eine Bekannte sie anspricht. Sie erzählt ihr, dass eine gemeinsame Freundin von ihnen, Martha, im Krankenhaus liegt. Martha ist schwerkrank, hat Gebärmutterkrebs im Endstadium. Ingrid, die autofiktionale Romane schreibt und mit On Sudden Deaths gerade einen über ihre Angst vor dem Tod veröffentlicht hat, trifft das schwer.
Sofort besucht sie Martha im Krankenhaus. Und plötzlich ist alles wieder da, die Verbundenheit zwischen den beiden Frauen. Sie reden von ihrer Zeit als Kolleginnen, von gemeinsamen Ex-Liebhabern, und erzählen sich die Dinge, die man im Leben der anderen verpasst hat.
Dann bittet Martha ihre alte Freundin um einen ungewöhnlichen Gefallen. Denn sie plant, sich umzubringen. Im Darknet hat sie eine Suizid-Pille bestellt, ihr graust es davor, sich dem unbarmherzigen Krebs ergeben zu müssen. Ingrid soll sie dabei begleiten…
Der Trailer für The Room Next Door
So ist The Room Next Door
Anfangs verwirrt Pedro Almodóvar seine Zuschauer*innen mit mehreren Handlungsebenen. Er lässt seine Martha aus ihrer Vergangenheit erzählen, von ihrer entfremdeten Tochter etwa. Diese Erinnerungen erweckt er in Rückblenden zum Leben, als wandelte man durch die reuevollen Gedanken einer todkranken Person.
Dem gegenüber stellt Almodóvar immer wieder Bilder nahe am Kitsch. So wird der winterliche Schnee, der über Manhattan fällt, vom Sonnenuntergang in strahlendes Violett getaucht, dazu lässt er seine Charaktere James Joyce zitierten. Oder er zitiert die Bildkompositionen von Edward Hopper, diese stilisierte Einsamkeit in leuchtenden Farben.
Dadurch wirkt The Room Next Door manchmal etwas behäbig, als würde man ein bewegendes Gemälde betrachten. Wer sich darauf einlassen kann, findet hier aber einen sehr berührenden Film.
Das liegt auch an den beiden fantastischen Hauptdarstellerinnen, Tilda Swinton und Julianne Moore. Sie verleihen The Room Next Door etwas Erhabenes. Swinton spielt die todkranke Martha mit einer selbstbewussten Würde. Und es ist herzerwärmend, wie Julianne Moore die Kraft ihrer Figur auslotet, nachdem sie ihre Angst vor dem Tod überwunden hat.
Nach einem mal verwirrenden, mal kitschigen Beginn findet der Film dank ihnen zu einer beruhigenden Selbstverständlichkeit. Als geschehe all die Tragik, all das Leid nicht zufällig, sondern weil sich alles harmonisch zusammenfügt. The Room Next Door ist also eine einfühlsame Reflexion übers Leben und Sterben, ein ruhiger und sehr besonderer Film.
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