Meinung: A Study in Pink

Meinung: A Study in Pink

Warum leider (so gut wie) alles an Pinky Gloves furchtbar ist

Von  Miriam Fischer
Pinke Plastikhandschuhe, um Tampons und Binden als kleines, blickdichtes Päckchen diskret, geruchs- und auslaufsicher zu entsorgen? - Nein Danke.



+++++HINWEIS+++++

An der ein oder anderen Stelle ist dieser Text ironisch.



Am Montag Abend haben die selbsternannten Frauenversteher André und Eugen in der Sendung Die Höhle der Löwen ihre Pinky Gloves vorgestellt: Rosa Einweg-Handschuhe für das vermeintliche "Frauenproblem" (aka die Periode). Und auch wenn ich alleine beim Wort "Pinky Gloves" Schnappatmung bekomme, versuche ich mal zusammenzufassen, warum leider (fast) alles an Andrés und Eugens "Innovation" furchtbar ist.

Aber zuerst mal: Wozu ist der Pinky Glove gedacht?

Der Pinky Glove ist ein Plastikhandschuh inklusive Klebestreifens, mit dem Menstruierende ihren Tampon hygienisch entfernen und blickdicht und geruchsneutral entsorgen können. So weit, so innovationslos.

Die beiden Erfinder stellen sich bei ihrem Pitch als Frauenversteher vor, die DIE Lösung für die Periode entwickelt haben. Aber sagen wir's mal so: Mich verstehen sie ehrlich gesagt nicht und eigentlich gab es bisher auch kein Problem mit meiner Periode, für das ich eine Lösung gebraucht hätte. Vor allem nicht diese. 

Zwischendurch fragt Dagmar Wöhrl, eine der Investor*innen, mal nach, was denn jetzt den Pinky Glove von einem gewöhnlichen Einmalhandschuh unterscheidet und die Antwort (hauptsächlich ein Klebestreifen), scheint so überzeugend zu sein, dass gleich zwei Investoren (Ralf Dümmel und Nils Glagau) einsteigen wollen.

Am Ende bekommt Dümmel den Deal - Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle...


Bei Andrés und Eugens Ausführungen zu den Vorteilen des Pinky Gloves hört es sich tatsächlich so an, als wäre es OHNE Pinky Glove nicht möglich, sich einen Tampon hygienisch aus der Vagina zu ziehen und zu entsorgen, ohne sich selbst komplett mit Blut zu beschmieren. Obwohl ich selbst nicht mal Tampons benutze, bin ich kurz davor, eine Packung Pinky Gloves zu kaufen.

Aber im Ernst: Selbst wenn wir den Fakt, dass dieses Produkt unglaublich sinnlos und in keiner Weise innovativ ist, mal beiseite lassen, gibt es noch einige tieferliegende Probleme. Und die stellen leider die eigentlich positive Tatsache, dass sich Männer mit der Periode auseinandersetzen, komplett in den Schatten.

1. Stichwort (Ent-)Tabuisierung

Seit Jahrzehnten kämpfen Menschen gegen die Tabuisierung der Periode an. Und dann kommen André und Eugen und tragen mit ihrem Produkt dazu bei, dass alles, was mit der Menstruation zu tun hat, weiter stigmatisiert wird - und begeistern damit die Investor*innen. Immer schön alles blickdicht und geruchsneutral verpacken - aus den Augen, aus dem Sinn. 

Das bringt das eigentliche Problem der beiden Gründer zum Vorschein: Sie haben mal mit mehreren Frauen zusammengelebt und deswegen auch mal benutzte Menstruationsprodukte im Mülleimer gesehen. 


In Klopapier eingewickelte Tampons weichen durch und fangen an zu stinken. Ok, ist ein Fakt, das erkenne ich an. Aber es ist doch IM MÜLLEIMER. Den macht man kurz auf, wirft was rein und macht ihn wieder zu. Ende.

Ich stell mich ja auch nicht zehn Minuten vor den offenen Bio-Müll und schau, ob die Banenenschale anfängt aufzuweichen und zu stinken.


Außerdem bringe ich (zumindest in einer idealen Welt) einmal die Woche meinen Müll raus, womit sich die Sache eigentlich erledigt hat. In einem Statement auf Instagram verteidigen sich die beiden Gründer und beteuern: 
"Wir wollten auf keinen Fall zum Ausdruck bringen, dass die Menstruation etwas Ekelhaftes sei."


Ok, aber wozu dann der Handschuh?!

Für unterwegs, auf Festivals und Ähnlichem erklären die beiden auf Instagram. Das kam im Pitch wohl zu kurz. Also um fair zu bleiben: Natürlich sehe ich, dass André und Eugen keine bösen Absichten hatten und ich finde es EIGENTLICH schön, dass sie Menstruierenden - vor allem außerhalb ihrer eigenen vier Wände - die Periode erleichtern wollen. Nur die Umsetzung bleibt leider trotzdem scheiße... 

2. Pink-Tax

Ralf Dümmel ist hin und weg vom Produkt und wundert sich, dass bisher noch niemand auf diese Idee gekommen ist. Ja na ja Ralf, vielleicht liegt es daran, dass keiner*r gedacht hätte, dass es ein so lächerliches und dreistes Produkt wirklich auf den Markt schaffen würde? Denn für die Menschen, die etwas wie den Pinky Glove brauchen/nutzen wollen, gibt es schon jede Menge Plastik-Handschuhe, Hygiene-Entsorgungsbeutel und Ähnliches.

Nur halt vielleicht nicht in Pink. Und für weniger Geld. 

"Als Pink Tax wird metaphorisch der Mehrpreis bezeichnet, der bei speziell für Frauen angebotenen Produkten und Dienstleistungen gegenüber gleichartigen Erzeugnissen für Männer verlangt wird" heißt es auf Wikipedia. Aber es reicht anscheinend nicht, dass Pflegeprodukte, Rasierutensilien, Parfums und sogar Besuche im Friseursalon von diesem Phänomen betroffen sind. Jetzt schießen André und Eugen mit Pinky Gloves endgültig den Vogel ab.

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Und überhaupt, warum kommen im Jahr 2021 überhaupt noch Produkte auf den Markt, die Pinky Glove heißen und auch so aussehen?

3. Name und Design

Pinky Glove. Weil Frauen (und in dieser Welt menstruieren natürlich auch nur Frauen) Rosa einfach super finden. Und weil Pink Gloves noch nicht süß genug klingen würde, einfach noch die Verniedlichung Pinky. Gefällti mir leider gar nichi. No more wordis neededi.

4. Nachhaltigkeit

Wir haben ein riesiges Müllproblem und sollten eigentlich versuchen, an so vielen Stellen wie möglich Müll zu reduzieren. Stattdessen kommen zwei Männer und stellen einen Plastikhandschuh vor (der wiederum ja auch noch mal verpackt ist), um andere Einmal-Menstruationsprodukte für den Mülleimer zu verpacken. Kannste dir eigentlich nicht ausdenken.

Und ja, ich hab gehört wie die beiden Erfinder stolz erzählt haben, dass ihr Pinky Glove nachhaltig ist. Da hat sogar Carsten Maschmeyer fast ein feuchtes Höschen bekommen. Der denkt nämlich, dass Tampons bisher bei Spaziergängen einfach so durch den Wald geworfen werden. Da wäre es doch praktisch, einen überteuerten pinken Plastikhandschuh in der Handtasche zu haben. Zu Maschmeyers Enttäuschung ist der Pinky Glove aber nicht kompostierbar, sondern "nur" 100 Prozent recyclebar.

Aber hey, auch wenn das heißt, dass wir unsere Hygieneprodukte trotzdem nicht wild im Wald umherwerfen sollten, ist recyclebar doch schon mal toll, oder?

Na ja, fast. Denn sobald da gebrauchte Menstruationsprodukte drin sind - wofür der Pinky Glove ja gedacht ist - schaut das mit dem Recycling halt auch schon wieder ganz anders aus...



Nochmal: Die Idee und das Engagement der beiden sind nicht das Problem. Aber die Umsetzung ist und bleibt furchtbar. Und zum Schluss will ich nur noch eins sagen: Eine Frau ist (obwohl diese wohl sehr stark in der Entwicklung mit eingebunden wurden) nicht am Unternehmen beteiligt. Die Gründer schieben diesen Einwand aber stolz mit der Begründung beiseite, dass sie ja verheiratet sind. Und diese Kausalkette alleine lässt schon tief blicken.

Design ❤ Agentur zwetschke