Sexismus in der Hip-Hop-Welt

Sexismus in der Hip-Hop-Welt

Lina Burghausen über ihr Label 365XX

Die Musik Promoterin und Journalistin Lina Burghausen hat ihr eigenes Label 365XX gegründet, bei dem sie nur Musik von weiblichen Rapperinnen und non-binären Personen veröffentlicht.

Im Interview spricht Lina über ihre Erfahrungen als Frau in der Musikszene und erklärt, warum sie besonders weibliche Rapperinnen unterstützen will.
  • Lina Burghausen über Sexismus in der Hip-Hop-Welt
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Als Frau in der Musikbranche

Lina beobachtet, dass es grundsätzlich viele Frauen gibt, die sich für eine Karriere in der Musikindustrie interessieren. Allerdings sitzen in den Chefetagen von Labels, Verlagen und Booking-Agenturen doch hauptsächlich Männer, weswegen Lina auch sagt, dass die Musikwelt auf jeden Fall von Männern dominiert wird. 

"Sowohl auf der Bühne als auch hinter der Bühne, gibt es wenig Bereiche, die nicht männlich dominiert sind. Selbst der Musikjournalismus ist sehr männlich dominiert. Die einzige Ausnahme ist glaube ich tatsächlich die Musik-PR, da sitzen ganz Klischee-mäßig wieder Frauen, die eben gut kommunizieren können." - Lina Burghausen

Lina hat sich schon sehr früh für Deutsch-Rap und Hip-Hop interessiert. Mit neun Jahren hat sie Run-DMC das erste Mal gehört und war schockverliebt. Sie erzählt, dass für sie als schüchternes Mädchen, Hip-Hop ein Weg zur Selbstermächtigung war und ihr bei ihrem Weg, eine erwachsene Frau zu werden, sehr geholfen hat. 

"Ich glaube für mich ist die Faszination an HipHop, dass es eine Stimme für jede Person sein kann." - Lina Burghausen

Damals war es für Lina nichts Besonderes, sich als Frau für Hip-Hop zu interessieren, schließlich gab es damals auch erfolgreiche deutsche Rapperinnen, die sehr sichtbar waren, wie zum Beispiel Sabrina Setlur. 

Sexismus im Hip-Hop


"Ich denke, dass wir Sexismus aus dem Rap und Sexismus aus der Musikindustrie nicht rauskriegen, solange es Sexismus in der Gesellschaft gibt." - Lina Burghausen

Lina sagt, dass es in nahezu allen Bereichen in unserer Gesellschaft sehr sexistisch und misogyn zugeht, im Rap ist das aber anders sichtbar, weil die Texte so explizit sind. Prinzipiell existiert dieses Problem aber in vielen Musikgenres. 

Auch Lina erlebt immer wieder Situationen, in denen sie mit sexistischem Verhalten konfrontiert wird:

Auf Hip-Hop-Konzerten wird sie oft gefragt, wo ihr Freund oder ihr großer Bruder sind oder welcher Mann sie zum Hip-Hop gebracht hat - die krassesten Erfahrungen mit Sexismus hat sie aber als DJane gemacht. Vor allem Tontechniker haben die Ansagen von Lina nicht ernst genommen und es wurde oft davon ausgegangen, dass Lina sowieso nur die Freundin vom DJ ist.  

365 Female MCs


Zum Großteil hat Lina aber auf ihrem beruflichen Weg sehr unterstützende Männer und Frauen getroffen. 

"Es ist nicht alles immer nur Weltuntergang und ganz, ganz schlimm und immer nur Kampf. Es ist viel Kampf, aber ich habe auch ganz tolle Menschen kennengelernt, die sehr supportive waren [...]." - Lina Burghausen

Lina möchte selbst auch andere Künstlerinnen unterstützen und hat deswegen die Blogreihe 365 Female Mcs gestartet. Sie war es leid, immer wieder Diskussionen darüber zu führen, dass es keine Frauen im Rap gäbe und wollte deshalb ein Projekt machen, dass an der Sichtbarkeit von Rapperinnen arbeitet. 


Auf dem Blog wird für jeden Tag des Jahres eine Rapperin vorgestellt - inzwischen sind sie bei knapp 600 Rapperinnen und haben eine riesige Datenbank mit um die 1.800 Künstlerinnen und es kommen immer noch viele neue dazu.

Für den Blog hat Lina den International Music Journalism Award gewonnen

365XX

Zeitgleich zur Preisverleihung kam das Indie-Label [PIAS] auf Lina zu und bot ihr an, zusammen zu arbeiten und schlugen ihr ein eigenes Label vor. Bei dem Label 365XX wird nur Musik von weiblichen Rapperinnen und non-binären Personen veröffentlicht - Nachdem für die Sichtbarkeit gesorgt wurde, sollten eben auch die Rahmenbedingungen in der Musikbranche für Frauen verbessert werden. 

Aber natürlich bekommt Lina auch negative Kritik - hauptsächlich von weißen Männern, wie sie erzählt. Die sehen in ihrem Label eine umgedrehte Diskriminierung. Lina ist klar, dass ein Label, das exklusiv für Frauen und nicht binäre Personen ist, nicht die endgültige Lösung sein kann, aber es ist zumindest ein Ansatz.

"Wir müssen eigentlich in eine Gesellschaft kommen, wo wir über sowas nicht mehr reden müssen - Aber da sind wir einfach noch nicht. Es ist einfach nach wie vor so, dass es Musikerinnen im männlich dominierten Musikmarkt schwerer haben. Solange das so ist, braucht es einfach Mittel und Wege und Ideen, wie man das ändern kann und dieses Label ist eine Idee; ist ein Ansatz und das Feedback, was wir bekommen, zeigt einfach auch, dass es notwendig ist." - Lina Burghausen

Bisher hat die Künstlerin Die P aus Bonn unter dem Label 365XX ihre EP veröffentlicht. Der zweite Act, den sie unter Vertrag genommen haben, dürfen sie allerdings noch nicht verraten.


Frauen im Rap


Lina ist großer Fan von Melbeatz und Missy Elliott. Aber auch den Einfluss von Frauen, die hinter den Kulissen stehen, wie zum Beispiel Sylvia Robinson, die in den 70ern und 80ern Sugarhill Records leitete, weiß Lina sehr zu schätzen. 

Im Moment hat sie das Gefühl, dass Frauen im Rap innovativer unterwegs sind, weil sie sowieso nichts zu verlieren haben. Grundsätzlich macht sie aber beim Können von Rapper*innen keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. 

"Ich glaube tatsächlich nicht, dass Rap-Talent und Innovationskraft und lyrische Finesse und alles, was zu einer guten Rapperin oder einem guten Rapper gehört, dass das vom Geschlecht abhängig ist. [...] Ob männlich, weiblich oder divers spielt da überhaupt keine Rolle." - Lina Burghausen

Viel mehr kommt es darauf an, wo die Person herkommt und was sie bereit ist, zu geben. 

"Es geht letztlich um Rap, um Musik, um eine Leidenschaft und darum, dass eben auf eine Bühne oder in einem Studio rüberbringen zu können und da gehört was anderes dazu, als die Frage, was man in der Hose hat." - Lina Burghausen

Lina hat das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren sehr viel gewandelt hat: Wir haben im Moment mehrere erfolgreiche Rapperinnen gleichzeitig, die auch zusammen Musik machen und viel Medienaufmerksamkeit bekommen. Außerdem gibt es vielmehr weiblichen Rapp-Nachwuchs - es trauen sich viel mehr Frauen frühzeitig Musik zu veröffentlichen, auch weil eben jetzt die Vorbilder da sind. 

"Inzwischen finden Frauen mit einer höheren Selbstverständlichkeit statt, auch in den Medien und auf Bühnen. Es ist immer noch ein langer Weg zu gehen, aber es ist definitiv eine Entwicklung zu sehen und da freue ich mich wirklich darüber." - Lina Burghausen 

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