Klassische Musik in Zeiten der Krise

Klassische Musik in Zeiten der Krise

Ein Kontrabassist über seinen Alltag im Bayerischen Staatsorchester

Andreas Riepl ist Kontrabassist im Bayerischen Staatsorchester und hat mit uns darüber gesprochen, wie das Orchester mit der Corona-Krise umgeht.

Im Orchester der Bayerischen Staatsoper spielen 143 Musiker*innen. Inzwischen gibt es zwar wieder Aufführungen an der Oper, die Abläufe sind aber trotzdem noch anders als gewohnt, erzählt Andreas. Er spielt seit seinem 13. Lebensjahr Kontrabass, ist seit Juni 2009 Teil des Bayerischen Staatsorchesters und seit einigen Jahren auch Orchestervorstand.


Das Orchester in Zeiten der Krise

Andreas betont, dass sich die Oper sehr dafür einsetzt, trotz der Corona-Krise einen möglichst "normalen" Spielbetrieb im Rahmen der Hygienemaßnahmen zu ermöglichen. Während des Lockdowns Anfang des Jahres war aber natürlich für eine gewisse Zeit erstmal gar nichts gemeinsam möglich.

Damals hat jede*r Musiker*in selbstständig daheim geübt - wie sonst natürlich auch - aber anstelle der gemeinsamen Proben mussten sie ein bisschen kreativ bzw. digitaler werden. 

Innerhalb ihrer Instrumentengruppen wurde zwar nicht in Echtzeit, aber mithilfe von Aufnahmen online geprobt: Die Kontrabassist*innen haben ihre einzelnen Stimmen aufgenommen und an die Kolleg*innen geschickt - so konnte jede*r seine*ihre Parts dazu spielen.


Im Nachhinein konnten die Musiker*innen sozusagen Kammermusik digital zusammenschneiden:
 
"So konnten wir wenigstens das Gefühl haben, dass wir zusammen spielen und es ging zumindest mir so, dass das ein Riesenschritt nach vorne war, wenn man für's Mikro und damit für jemand anderen gespielt hat, als nur für sich alleine im Kämmerlein zu üben." - Andreas Riepl

Konzerte mit Hygieneregeln

Damit aktuell Konzerte stattfinden können, wurde der Orchestergraben in der Staatsoper umgebaut und auf dem Parkett erweitert. So können die Musiker*innen genügend Abstand halten und jede*r Streicher*in kann zum Beispiel ein eigenes Pult haben. Außerdem trägt das Orchester Mund-Nasen-Bedeckung während der Konzerte - einheitliche Masken, um das Outfit-Gesamtbild zu vervollständigen.

Trotz des Umbaus ist allerdings nicht genügend Platz für alle Musiker*innen, deswegen spielt das Orchester im Moment in kleinerer Besetzung. Und auch die Besucher*innenzahl ist aktuell begrenzt: Anstatt der sonst 2.100 Zuhörer*innen dürfen aktuell nur 500 Personen im Publikum sitzen. 

Das Gemeinschaftsgefühl geht ein bisschen verloren, erzählt Andreas.


Durch die reduzierte Besetzung trifft man natürlich weniger Kolleg*innen und verbringt auch mit denen, die man sieht, weniger Zeit. Im Großen und Ganzen sind aber alle einfach sehr froh, dass es überhaupt möglich ist, vor Publikum aufzutreten und dass sie sich keine Sorgen um ihre Einkünfte machen müssen. Viel schwerer als die festangestellten haben es da die freischaffenden Musiker*innen, sagt Andreas. Die haben im Moment (fast) keine Möglichkeiten vor Publikum zu spielen. 

Kunst ist "systemrelevant"

Andreas hält klassische Musik und Kunst im Allgemeinen auf jeden Fall für enorm wichtig für das menschliche Miteinander:

"Ich hoffe sehr und glaube fest daran, dass aufgrund des Entzugs an Kunst, den Menschen - wenn sie dann wieder in's Konzert oder in die Galerien und Museen gehen - mehr als vorher bewusst wird, was ihnen abgegangen ist in der Zeit, in der sie nicht hingehen konnten." - Andreas Riepl


Zwischenzeitlich konnten Livekonzerte nur über Streams geschaut und gehört werden, was auf jeden Fall eine gute Sache war, um den Kontakt zum Publikum nicht komplett zu verlieren. 


Allerdings ist für Andreas klar, dass Livestreams niemals richtige Konzerte ersetzen können, sondern lediglich eine gute Ergänzung sind. Die Atmosphäre in einem Raum, in dem Publikum sitzt, ist für ihn etwas ganz anderes als ein virtuelles Publikum.


Wenn irgendwann wieder halbwegs alles normal ist, wünscht sich Andreas auf jeden Fall, dass das Bayerische Staatsorchester ein großes Stück spielt, bei dem die volle Breitseite des gesamten Orchesters zur Geltung kommt.

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