H wie Heuchelei

H wie Heuchelei

egos4future - Von A bis Z

Von  Kaja Lübeck
Jeder Buchstabe ein Thema: Wir fassen die Basics zu Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit zusammen. Diese Woche: H wie Heuchelei.


Das Klima wandelt sich

Der Klimawandel schreitet immer mehr voran: Die Treibhausgase in der Atmosphäre nehmen zu, dadurch erwärmt sich die Erde. Die Jahre 2015 bis 2019 waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und die Folgen sind bereits in vielen Regionen zu spüren. Extremwetterereignisse, Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Starkniederschläge häufen sich. Bei fortschreitender Erwärmung steigt die Wahrscheinlichkeit für klimatische Kipppunkte des Erdsystems, nach deren Überschreiten eine Rückkehr zu heutigen globalen Temperaturen für kommende Generationen unrealistisch ist. Die menschlichen Lebensgrundlagen werden durch den Klimawandel zerstört und Verursacher ist – der Mensch selbst.
 

Keine Eile

Da sollte man doch versuchen, den Klimawandel weitestgehend aufzuhalten, oder? Nun ja, unsere Regierung und auch Unternehmen haben es da nicht ganz so eilig und schrecken nicht vor der ein oder anderen Heuchelei zurück.
 

Pariser Klimaabkommen

Im Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichteten sich fast 190 Staaten, darunter auch Deutschland, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das Ziel ist, den Temperaturanstieg deutlich unter 2°C zu halten und möglichst auf 1,5°C zu beschränken. In der Theorie bekennen sich alle Parteien außer der AfD zu diesem Ziel und schreiben dies auch in ihr Wahlprogramm - in der Praxis schafft es laut einer Studie von DIW Econ allerdings keine mit den darinstehenden Konzepten, die 1,5° Grenze einzuhalten. Trotzdem haben die Kandidat*innen immer wieder betont, wie sehr der Klimaschutz ihnen am Herzen liegt.
 
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Das Klimapaket

Im Jahr 2019, als der öffentliche Druck durch die Klimagerechtigkeitsbewegung Fridays for Future immer stärker wurde, hat die Regierung ihr sogenanntes Klimapaket beschlossen. Es wurde sehr viel Hoffnung darauf gesetzt, doch Expert*innen betitelten es vor allem in Bezug auf den geringen CO2-Preis als wirkungslos. Der Direktor des PIK und MCC Ottmar Edenhoder urteilte darüber als Dokument der politischen Mutlosigkeit und stellt klar, dass der CO2-Preis das klimapolitische Leitinstrument hätte werden müssen, durch die schwachen Ambitionen aber nur eine Alibi-Funktion habe.
Als ob das nicht schon ausreichend Kritik wäre, hat das Bundesverfassungsgericht im März entschieden, dass das Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 nicht mit den Grundrechten vereinbar ist.

Vorreiter Nordrhein-Westfalen?

Um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen, müssen erneuerbare Energien ausgebaut werden, was allerdings in einigen Bereichen von den regierenden Parteien erschwert wird. In Nordrhein-Westfalen wurde zum Beispiel ein von Armin Laschet mitgetragenes Gesetz beschlossen, dass Windräder mindestens 1000 Meter Abstand zu Wohngebieten einhalten müssen. Ein Wohngebiet wird als Siedlung ab drei nebeneinanderstehenden Häusern definiert. Währenddessen behauptet der CDU-Kanzlerkandidat im Juli in Hagen, Nordrhein-Westfalen sei der Vorreiter in Sachen Klimaschutz, obwohl es auf den hinteren Plätzen bei der Nutzung erneuerbarer Energien liegt. Außerdem ist NRW Deutschlands Emissions-Spitzenreiter, was hauptsächlich daran liegt, dass es als Industrieland stark von der Kohle abhängig ist, letztes Jahr wurde sogar ein neues Kohlekraftwerk Datteln IV in Betrieb genommen.


Dass Laschets im Wahlkampf vertretene klimafreundliche Haltung nicht wirklich gefestigt ist, macht er auch in einigen Statements deutlich.
 
"Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden." - Armin Laschet bei Anne Will
"Nur weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik!" - Armin Laschet zur Hochwasserkatastrophe
 


Greenwashing

Doch nicht nur Politiker*innen haben verstanden, dass das Thema Klimawandel in der Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert hat, auch Unternehmen versuchen ihre Produkte als möglichst nachhaltig darzustellen. Das sogenannte Greenwashing ist zur beliebten Marketing-Strategie geworden.
 
Dass es nicht umweltfreundlich ist, Produkte wie Kleidung herzustellen, ist den meisten Menschen bewusst. Um sie von ihrem schlechten Gewissen zu befreien, werben die Unternehmen mit Nachhaltigkeit. In Werbespots werden emotionale Videos von der Natur gezeigt und die Verpackungen sind mit grünen Kennzeichnungen geschmückt, womit Konsument*innen in die Irre geführt werden.
 
Es ist zwar häufig keine Lüge, dass das so beworbene Produkt umweltfreundlicher ist, jedoch kreieren Firmen mit dieser PR-Strategie ein nachhaltiges Image um ihre gesamte Marke – und der Hauptanteil der Produkte ist meistens nicht umweltfreundlich. So wird von anderen negativen Folgen, die ihre Produkte verursachen abgelenkt.


 

Die Macht der Bilder

Häufig wird dabei die Wirkung von Bildern und Siegeln zum Greenwashing genutzt, obwohl Fotos selten die Realität der Herstellungsbedingungen abbilden. Auch Siegel geben keine Nachhaltigkeitsgarantie, denn häufig sind diese vom Unternehmen selbst erfunden und nicht von einer offiziellen Stelle. Zudem kommen dann noch Schlagwörter wie "klimafreundlich", "umweltschonend", "regional" oder "nachhaltig", mit denen Konsument*innen das Produkt erleichtert in die Einkaufstasche packen können. Dabei sind diese Begriffe weder klar definiert, noch geschützt.
 


Auch was Positives?

Aus einer anderen Perspektive betrachtet ist es aber auch ein gutes Zeichen, dass Politiker*innen und Unternehmen sich zumindest so darstellen, als ob ihnen Klimaschutz wichtig wäre. Das zeigt, dass das Thema immer wichtiger wird und das zumindest ein wenig Handlungsbereitschaft vorhanden ist. Das Bewusstsein für Klimaschutz ist zum Großteil in den Köpfen der Gesellschaft angekommen und darauf wird reagiert - aber nur so stark, dass weiterhin Gewinn erzielt wird und keine Wähler*innen verloren werden. Wenn allerdings leere Versprechungen das Einzige sind, was sich in der Praxis ändert, wird der Klimawandel nicht aufgehalten - die Zeit der Heucheleien sollte langsam zum Ende kommen.

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