Chelsea Hotel: Moderatorin Sandra Gern in New York

Chelsea Hotel: Moderatorin Sandra Gern in New York

Ein Besuch im originalen Chelsea Hotel

Seit 2015 öffnet Moderatorin Sandra Gern wöchentlich die Tür zum Chelsea Hotel auf egoFM, wo wir mit ihr gemeinsam bereits Bands wie New Order, The Kills oder Queens of the Stone Age antreffen durften. Jetzt war Sandra selbst zu Gast im Chelsea Hotel in New York.

Das Chelsea Hotel in New York - damals

Ein Hotel, das einst Patti Smith, The Velvet Underground, Andy Warhol, Iggy Pop oder Bob Dylan beherbergte, legte sich im Jahr 2011 in New York vorübergehend schlafen. Mit in den Schlaf nahm es unzählige legendäre Geschichten: von Sid Vicious der Sex Pistols, der darin 1978 allem Anschein nach seine damalige Freundin Nancy erstach, von Patti Smith, die dort in den 60er Jahren gemeinsam mit dem Fotografen Robert Mapplethorpe ihre ersten Gehversuche als Lyrikerin und Musikerin machte, von Leonard Cohen, der dort 1974 den Song "Chelsea Hotel #2" schrieb und damit unter anderem den Blowjob besang, den er in einem der Zimmer bekam.

Viele Geschichten von damals schwingen auch bis heute in der Stimmung der Sendung Chelsea Hotel auf egoFM mit. Zum einen spiele ich Klassiker von früher und erzähle Geschichten dazu, zum anderen lade ich auch aktuelle Bands ein, die die jetzige Musiklandschaft widerspiegeln, aber mit denen ich oft auch über das Chelsea Hotel in New York spreche.

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Und das Chelsea Hotel heute

Wenn man diese Stimmung aus der Zeit der 60er- und 70er-Jahre des Hotels aus Büchern, Filmen und Musik erlebt, möchte man sofort seine Sachen packen und in das Hotel einziehen. In der utopischen Hoffnung, dass man in der Lobby doch noch einmal zufällig auf Bob Dylan oder Lou Reed trifft, die in der Lobby gerade ihre Gitarre stimmen. Gitarren gibt es dort auch heute im Jahr 2019 noch. Davon konnte ich mich kürzlich überzeugen, als ich das Hotel bei einem Trip nach New York aufsuchte.

Mitten in der hektischen W 23rd St im Stadtteil Chelsea ragt aus einer sonst eher gewöhnlich modernen Häuserreihe das mächtige rote zwölfstöckige Backsteingebäude im auffällig viktorianisch-gotischen Stil heraus. Allein der Anblick ist betörend, auch wenn das Hotel seit seiner Schließung im Jahr 2011 die meiste Zeit von einem Baugerüst eingehüllt war und ist. Man kann das einer Baustelle ähnelnde Hotel als Besucher nicht wirklich betreten, dennoch suchte ich den Eingang und traf dabei erst mal auf den kleinen Gitarrenladen Chelsea Guitars, den seit der Eröffnung des Chelsea Hotels im Jahr 1905  bereits viele bekannte und unbekannte Musiker betreten haben. In dem von Baugerüsten eingemauerten, kleinen, überladenen Shop treffe ich zwei sehr sympathische Mitarbeiter an, die mir einen kleinen Eindruck vom Chelsea Hotel geben: 
"We give everyone who comes in a little taste of what nyc used to be (and should continue to be) all about." - Chelsea Guitars

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Das tun sie, indem sie beispielsweise Überbleibsel aus der Baustelle Chelsea Hotel konservieren. Aus den ausrangierten Holztüren des Hotels, die teilweise in einer Auktion für mehrere hunderttausend Dollar versteigert wurden, blieben auch einige für den Gitarrenladen übrig. Aus diesem Holz stellen sie heute Gitarren her, die sie im Laden zu Preisen zwischen 3000 und 10.000 Dollar verkaufen. Dass das Hotel eine legendäre Historie hat, darüber sind sie sich einig - wie man die Zukunft gestalten kann, darüber sind sie unschlüssig:

"Momentan gibt es im Hotel eigentlich nichts Besonderes zu sehen. Es ist eine Baustelle, in der vereinzelt immer noch Dauerbewohner leben. Das sind meist Künstler. Wie es genau weitergeht wissen aber weder die noch wir."


Das Chelsea Hotel wurde mehrfach verkauft, es gäbe Pläne das Hotel komplett zu renovieren und es anschließend wieder in einer Form, die der Historie gerecht wird, zu eröffnen. Doch die Pläne stocken, da zu viele verschiedene Parteien involviert sind. Andere sagen, dass das Hotel, wenn erst alle Dauermieter vertrieben sind, als Luxushotel wiedereröffnen wird.

Auch wenn sie mir bei der Verabschiedung sagten, man könne das Hotel nicht offiziell betreten, versuche ich es eine Tür weiter, die früher allem Anschein nach der Eingang zu der einst legendären Lobby gewesen sein musste. Ich trete ein und sehe nicht mehr viel von dem Zauber, stattdessen eine kahle Lobby mit Empfang und Securities, die mich erstmal fragen, was ich dort möchte. Während ich erkläre spricht mich eine ältere Dame mit Rollator an, was dem Security scheinbar genügte, um mich nicht rauszuschmeißen.

Merle Lister, wie sie sich bei mir vorstellte, war eine erfolgreiche Choreographin und Tänzerin und lebt seit mehr als 30 Jahren im Chelsea Hotel.


Sie sitzt auf einer Bank in der sonst trostlosen Lobby und bedeutet mir, ich solle mich neben sie setzen. Im Jahr 1981 zog sie mit ihrem Mann Leonard Lee Levine, der bereits verstorben ist, in das Chelsea Hotel ein: "Mein Mann hat mit ihnen allen zusammengearbeitet. Er kannte Bob Dylan und viele mehr", erzählt mir Merle Lister, während sie über ihr Smartphone wischt und mit einem Hauch von Stolz eine Doku sucht, die über sie gedreht wurde. Es sei immer ein legendärer Ort gewesen, aber auch sie wisse nicht wie es weiter geht.

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Die Zukunft des Chelsea Hotels

Neben Merle Lister wohnen noch ein paar weitere Künstler, Fotografen oder Schriftsteller in einem der unrenovierten Zimmer.

Sie und die Außenfassade sind die einzigen Überbleibsel einer Zeit, in der Nackt-Parties, Drogenexzesse und Kreativexplosionen seiner Bewohner nichts Ungewöhnliches waren.


Man kann sich nur noch schwer vorstellen wie der legendäre Hotelbetreiber Stanley Bard einst die Gäste begrüßte und sich die Hotelmiete oftmals durch Kunstwerke der teils mittellosen Bewohner bezahlen ließ. Er ist im Jahr 2017 verstorben.

Ich verabschiede mich von Merle Lister und vom Chelsea Hotel. Als ich mich umdrehe und nochmal auf die ruhende, wunderschöne Fassade blicke weiß ich nicht, was ich diesem Hotel wünschen soll. Aber ich weiß, dass dieses Hotel absolut eine Radiosendung verdient hat, die sich mit ihm beschäftigt.

Als ich weiter nach Greenvich Village spaziere, um im Dante Café - dem einstigen Lieblingscafé von Bob Dylan und Patti Smith - noch einen Cappuccino zu trinken, bekomme ich eine Nachricht von der Fotografin Linda Troeller. Sie lebt ebenfalls schon lange im Chelsea Hotel und ich hatte sie vor meiner New York Reise kontaktiert, um mich mit ihr im Chelsea Hotel zu treffen. Leider kam das Treffen nicht mehr zustande. In dem Wissen, dass ich bald wieder abreisen würde, schrieb sie mir:
"Good luck with your radio show, we need to keep the chelsea vibe going!"
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