Vor mittlerweile fast acht Jahren hat der Architekt Dietmar Eberle in Lustenau, Österreich ein Haus ohne Heizung gebaut - und das System hat sich aller Kritiker*innen zum Trotz bis heute bewährt.
Der Wärmemarkt hat einen großen Einfluss auf unsere Umwelt
Neben vielen anderen Punkten hat vor allem auch der Wärmemarkt einen großen Einfluss auf die Klimakatastrophe:Mit ungefähr 40 Prozent weltweit ist er einer der größten Energieverbraucher - bietet dementsprechend aber auch riesiges Einsparpotential.
In Privathaushalten macht die Wärmeerzeugung im Durchschnitt 90 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus. Der wichtigste Energieträger bei der Erzeugung von Wärme ist Erdgas, dicht gefolgt von Kohle, was das ganze besonders problematisch macht. Der Anteil an erneuerbaren Energien an der Wärmeerzeugung beträgt aktuell gerade einmal 15 Prozent. Wenn in Zukunft also auf Heizungen verzichtet werden könnte, hätte das einen extrem positiven Einfluss auf unsere Umwelt.
Ein radikal reduziertes Bauystem
Am Anfang von Dietmar Eberles Projekt stand eine Idee: Unser Energieproblem lösen wir nicht mit mehr Technik, sondern mit weniger. Statt also immer aufwendigere und hoch technisierte Häuser zu bauen, schlägt Dietmar Eberle die entgegengesetzte Richtung ein.Konkret heißt das: Das Haus hat weder Heizkeller, Kühlrohre, noch Lüftungsschächte. Stattdessen wird die Abwärme von technischen Geräten, Lampen oder den Menschen selbst genutzt - und wenn es stickig oder zu warm wird, gehen Klappen in der Fassade automatisch auf, können aber auch manuell bedient werden.
Sensoren messen die Luftfeuchtigkeit, die Temperatur und den CO2-Gehalt, um ein Gleichgewicht zu sichern. So bleibt die Raumtemperatur stetig zwischen 22-26 Grad und ein Aufheizen beziehungsweise Auskühlen wird verhindert.
Daher auch der Name: System "2226"
Außerdem gibt es 76 Zentimeter dicke Backstein-Außenmauern, die gut isolieren und wenige, aber sehr hoch gelegene Fenster - so kommt wenig Wärme, aber genug Licht rein. Die Außenmauern sind gegliedert in eine innere, 38 Zentimeter starke Schicht aus tragenden Hochlochziegeln und weitere 38 Zentimeter Dämmziegel mit größerem Lochanteil.Der erste Prototyp wurde bereits 2013 in Lichtenau fertiggestellt:
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Hier findest du weitere Fotos und Infos zu dem Projekt.
Weil kein*e Auftraggeber*in an das Projekt glaubte, bauten die Baumschlager Eberle Architekten das Gebäude auf eigenes Risiko. Schließlich hat der Prototyp aber gezeigt, dass das System funktioniert und in der Schweiz bei Luzern steht nun schon ein zweites Haus nach dem Bausystem "2226":
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Das System 2226 sieht ein Haus als lebenden Organismus, bei dem einzelne Komponenten voneinander abhängig sind.
Statt immer wieder neue Energie in das Gebäude zu pumpen, um es zu aufzuwärmen oder abzukühlen, wird auf ein natürliches System gesetzt.
Das Haus in Luzern verzichtet, genau wie der Prototyp, auf aufwendige Haustechnik und Untergeschoss und hat stattdessen über drei Meter hohe Räume. Durch die dicken Außenmauern ist das Gebäude außerdem wesentlich langlebiger als herkömmliche moderne Häuser. Allerdings nehmen die Mauern natürlich auch Raum weg und die Höhe der Räume fordert viel Platz. Im Umkehrschluss gibt es aber eben auch keine Technikschächte, die Platz für sich einnehmen.
Der Unterschied zu Passivhäusern
Auch Passivhäuser kommen ohne Heizungen zurecht. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass Passivhäuser eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung haben. Das System "2226" hingegen nutzt stattdessen eben die Klappenlüftung in der Fassade.Wenn die Sommer in Zukunft heißer werden, ist es natürlich schwieriger, das Haus natürlich zu kühlen. Allerdings soll das System laut Berechnungen trotzdem - abgesehen von vereinzelten Hitzetagen im Jahr - die Balance halten.
Ob das System "2226" allerdings auch in dichter Stadtlage und bei Wohnbauten funktioniert, wird sich in der Zukunft erst noch zeigen müssen.
Aktuell planen und bauen die Architekt*innen von Baumschlager Eberle weitere Häuser nach diesem System und sind mit Deutschland und China im Gespräch über weitere Projekte.
Wenn sich auch andere Architekt*innen für die Vorteile von reduzierten Gebäudesystemen mit wenig Technik begeistern, könnte das Bauen in Zukunft auf lange Sicht gesehen einfacher, günstiger, langlebiger und besser für die Umwelt werden.
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