Die aktuelle Situation in Israel

Die aktuelle Situation in Israel

Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Dr. Margret Johannsen

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Woran hat sich die neue Gewalt im Nahostkonflikt entzündet und welche Rolle spielt dabei auch die neue Regierungskoalition in Israel?

Dr. Margret Johannsen ist Wissenschaftlerin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Nahostkonflikt. 
  • Dr. Margret Johannsen im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören
  • Nele über ihre Arbeit bei Givat Haviva
    Im Gespräch mit egoFM Gloria

Die geplante Justizreform in Israel

Seit ein paar Wochen sind Israel, das Westjordanland und der Gaza Streifen wieder häufiger in den Nachrichten. Ein Grund dafür sind die andauernden Demonstrationen, an denen seit über zwei Monaten Zehntausende Menschen in israelischen Städten teilnehmen. Die Proteste richten sich gegen eine geplante Justizreform, die von der aktuellen Regierung unter Benjamin Netanjahu durchgesetzt werden soll. Die Regierung um Netanjahu, an der auch ultraorthodoxe und rechtsextreme Parteien beteiligt sind, ist seit Ende Dezember 2022 im Amt.
"Die Tatsache, dass diese Personen an der Regierung jetzt sind, tragen natürlich dazu bei, dass die Situation vor Ort eskaliert." - Dr. Margret Johannsen 


Was genau die Justizreform vorsieht, erklären wir hier im egoFM Reflexikon.


Dr. Margret Johannsen sagt außerdem:
"Bis vor Kurzem waren die extremistischen Siedler und Siedlerinnen die Outlaws der israelischen Gesellschaft. Und nun lenken sie die Geschicke des Landes mit." - Dr. Margret Johannsen

Expert*innen sagen, die Reform gefährde die Demokratie und hätte fatale Auswirkungen. Der Auffassung ist auch Dr. Johannsen:
"Im Grunde genommen würde Israel, wenn das sich durchsetzt, keine liberale Demokratie mehr sein. Es wäre im Grunde genommen ein Staat, [...] wie andere Staaten in der Region - Katar oder Syrien, im Grunde genommen auch die Türkei, also alles Staaten, die im Grunde genommen keine demokratischen Staaten mehr sind. Und Israel wäre dann auch kein demokratischer Staat mehr." - Dr. Margret Johannsen

Neben dieser Justizreform strebt die israelische Regierung auch eine härtere Siedlungspolitik an. Das Programm der Partei HaTzionut HaDatit, auf Deutsch "der religiöser Zionismus", sieht eine Annexion weiteren Landes für die Siedlungen im Westjordanland vor. Außerdem möchte die Koalition von Netanjahu eine Lockerung des Waffengesetzes - beides hätte schwerwiegende Folgen für den Nahostkonflikt.

Der Nahostkonflikt in deutschen Medien 

Nicht nur wegen der geplanten Justizreform ist Israel in den Nachrichten wieder präsenter, auch über neue Gewalt zwischen Israelis und Palästinenser*innen wird berichtet - allerdings nicht immer ganz neutral. In deutschen Medien wäre eine ausgewogene Berichterstattung zwar theoretisch möglich, ist aber schwierig, da die Sichtweise natürlich stark vom Holocaust geprägt ist, erklärt Dr. Margret Johannsen. Außerdem wird in Deutschland meist nur berichtet, wenn es neue Anschläge zwischen Israel und Palästina gibt.
"Es gibt ja nun auch noch Konflikte im Kernland Israels. [...] Das Verhältnis zwischen den arabischen Israelis und den jüdischen Israelis ist längst nicht so verzerrt und hasserfüllt, wie man da häufig denkt. Sie kommen im Grunde genommen miteinander klar, aber das ist keine Berichterstattung wert - das ist im Grunde das Schlimme." - Dr. Margret Johannsen 

Das heißt natürlich aber nicht, dass es keine Anschläge und Todesopfer gibt - die gibt es immer wieder.

Auch mit Nele, die seit über fünf Monaten in Israel für die Organisation Givat Haviva arbeitet, haben wir darüber gesprochen, was sie sich von deutschen Medien bei der Berichterstattung über Israel wünschen würde. Sie sagt:
"Ich würde mir grundsätzlich wünschen, dass die Berichterstattung neutraler und mit zwei verschiedenen Perspektiven gezeigt werden würde. Weil, bevor ich nach Israel zum Beispiel gekommen bin, hatte ich den Eindruck, dass es neben dem Gazastreifen auch im Westjordanland gefährlich sei, einfach, weil mir die Berichterstattung in Deutschland dieses Gefühl gegeben hat. Und nun war ich hier, bin hier, und hab die Westbank besucht und es ist nicht gefährlicher als sonst wo anders in Israel." - Nele 

Außerdem muss auch mehr darüber gesprochen werden, wie wenig Rechte Palästinenser*innen haben und wann Gewalt von welcher Seite ausgeübt wird, damit wir in Deutschland einen Überblick behalten können, erklärt sie weiter. Givat Haviva ist eine internationale NGO, die als vielseitige Bildungsstätte fungiert und vor allem das Ziel verfolgt, jüdische und arabische Menschen gezielt zusammen zu bringen. 
"In Israel treffen sich jüdische und arabische Menschen meist erst richtig an der Uni, was natürlich viel zu spät ist, dafür, dass man Seite an Seite lebt." – Nele von Givat Haviva

Wie steht es um eine friedliche Lösung?

Für unerreichbar hält Dr. Margret Johannsen eine friedliche Lösung im Nahostkonflikt nicht. 
"Unerreichbar ist nichts, erreichbar ist etwas bei gutem Willen. Aber man muss offensichtlich auf Israel Einfluss nehmen." - Dr. Margret Johannsen

Für Deutschland ist das aufgrund der Geschichte mehr als schwierig, die USA allerdings könnten das durchaus tun, erklärt Dr. Margret Johannsen.



Weitere Infos zum Nahostkonflikt findest du zum Beispiel hier:

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