Chinas Social Credit System

Chinas Social Credit System

Ab 2020 führt China ein landesweites Überwachungssystem ein

Gesellschafts-Dystopien wie in Black Mirror oder George Orwells 1984 werden in China bald zur gruseligen Realität.

Schon seit Jahren testen mehrere staatlich finanzierte Pilotprojekte in China ein soziales Punktesystem, das Chinas Bürger*innen je nach Verhalten bewertet. Der eigene Punktestand hat dann Auswirkungen auf alle möglichen Bereiche des Lebens: Artiger Gehorsam wird mit VIP Vorzügen belohnt, während Regelverstöße einem das Leben ganz schön schwer machen können. Ab 2020 soll nun das chinesische Social Credit System von den Testphasen-Städten auf das ganze Land ausgeweitet werden. Damit wird die Teilnahme am Punktesystem für alle chinesischen Bürger*innen verpflichtend.

Big Data meets Big Brother

Das Social Credit System soll höhere Sicherheit gewährleisten und gegenseitiges Vertrauen wiederherstellen - so wird es zumindest offiziell von der chinesischen Regierung verkauft. Im Grunde ist es aber nichts anderes als das ultimative Kontrollinstrument einer autoritären Diktatur. Mit der neuesten Technik in Sachen Gesichtserkennung und Überwachungskameras gelingt dem Staat völlige Überwachung. Das Internet ist dabei auch eine riesen Hilfe. Bewertet wird nämlich nicht nur das soziale Verhalten der Bürger*innen, sondern auch ihr Konsumverhalten. Wer zum Beispiel stundenlang Videospiele zockt, muss in logischer Konsequenz faul sein - Punktabzug!

Sind Social Credit Punkte bald die neue Währung?

Zur Zeit testen einige Unternehmen noch die Algorithmen, die ab nächstem Jahr für das landesweite Social Credit System eingesetzt werden sollen. Bis dahin laufen in manchen Städten noch die Pilotprojekte. Ein solches Testprojekt vergibt zum Beispiel für stundenlange körperliche Arbeit Credit Punkte, kein Geld.

Social Credit Punkte als neue Währung quasi. Dystopische Vorstellung.


Gutes Bürgerlein, böses Bürgerlein

Mit einem sehr niedrigen Punktekonto wird man von der Regierung geblacklistet und das bedeutet wiederum Einschränkung des persönlichen Lebens. Man kann dann zum Beispiel keine Flug- oder Zugtickets mehr buchen, findet schwerer einen Job oder eine Wohnung, darf die Kinder nicht auf Eliteschulen schicken und wird öffentlich bloßgestellt. Klingt doch eigentlich echt schon wie die Episode "Nosedive" aus Black Mirror, oder?


Die kleinsten Vergehen können zum Punktabzug führen: falsche Mülltrennung, bei Rot über die Straße laufen, Schwarzfahren, laute Musik hören, oder auch seine alternden Angehörigen nicht oft genug zu besuchen. Die Königin aller WTF-Überwachungs-Ideen dürfte aber wohl die öffentliche Toilette sein. Ausgestattet mit Wifi und Gesichtserkennung portioniert sie eine bestimmte Menge Klopapier für jeden Besucher und jede Besucherin vor. Okay, das könnte man bei naiver Interpretation ja noch nachvollziehen im Sinne von Umweltschutz. Leider werden aber in jeder Klokabine auch Sensoren angebracht sein, die die Behörden informieren, sobald die Sitzung länger als zehn Minuten dauert. Da hilft selbst naiver Optimismus nicht mehr weiter.

Das Social Credit System wird ein Selbstläufer

Verhält sich ein Bürger oder eine Bürgerin aber vorbildlich, gibt es Vorzüge als Belohnung. Es wird zum Beispiel leichter, einen Kredit aufzunehmen, in Hotels darf man schicke VIP-Zimmer beziehen und beim größten Dating-Unternehmens des Landes Baihe wird man mit hohem Punktestand leichter vermittelt. Hach, wie romantisch! Überhaupt ist einem Ansehen und Ruhm sicher, denn die Chinesen*innen selbst finden das System ganz gut. So kann man wenigstens unverantwortungsvolle Mitbürger*innen rechtzeitig erkennen - und übrigens auf einer Map tracken, Name und Wohnadresse inklusive. Außerdem würden sie mit Kritik ja selbst eine schlechte Bewertung riskieren. Ein Teufelskreis also, der dem Staat wunderbar in die Hände spielen wird. Es können nämlich auch zusätzlich Punkte gesammelt werden, indem man seine weniger hörigen Nachbarn bespitzelt.

Das könnte uns im Westen nicht passieren. Oder?

Wer jetzt denkt, dass ein solches Social Credit Punktesystem im demokratischen und freien Westen undenkbar wäre, sollte sich folgendes Video anschauen. Ein Journalist hat auf einer Zugfahrt in China eine Durchsage aufgezeichnet, die in den Videokommentaren nicht als einstimmig negativ aufgenommen wurde.

Dass ein solches System im 21. Jahrhundert eingeführt wird, ist gruselig genug. Wir glauben trotzdem an das Gute im Menschen und hoffen sehr, dass die Überwachungsstaat- und Spitzelzeiten in Europa vorbei sind. Jaja, du weißt bestimmt schon, was jetzt kommt: Mit dem richtig gesetzten Kreuz (oder dem überhaupt gesetzten Kreuz) bei der Europawahl am kommenden Sonntag kannst du deinen Beitrag dazu leisten.

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