Brauchst du dein Gehirn in 20 Jahren noch?

Brauchst du dein Gehirn in 20 Jahren noch?

Künstliche Intelligenz vs. das menschliche Gehirn

Von  Denise Prodell
Unser menschliches Gehirn ist ein komplexes Wunderwerk und dazu noch eines unserer wichtigsten Organe. Bis jetzt war es immer unersetzbar. Doch dann kam die KI. Reinhard Karger klärt mit egoFM Max, ob es möglich wäre, dass eine KI das menschliche Gehirn irgendwann ersetzen kann.

Die Sache mit der KI und unserem Gehirn

Unser Hirn sieht zugegebenermaßen ein wenig aus wie das Innere einer Walnuss, nur hat es deutlich mehr drauf. Das menschliche Gehirn ist das sowohl besterforschte und zugleich das Organ, das uns die meisten ungeklärten Fragen aufwirft. Um Neuronen, Neurotransmitter, elektrische Aktionspotenziale und dem ein oder andere Blackout ranken sich ziemlich viele Mythen. Eine dieser Mythen ist, ob es möglich ist, dass eine künstliche Intelligenz, kurz auch KI genannt, irgendwann das menschliche Gehirn ersetzen kann. Ob dies nur ein Mythos ist oder in welcher Verbindung die KI mit dem menschlichen Gehirn steht, erzählt uns Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, kurz DFKI.

Hier gibt es das Interview zum Anhören:

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    Künstliche Intelligenz vs. das menschliche Gehirn

Die Idee der künstlichen Intelligenz

Die Idee von der Entwicklung künstlicher Intelligenz besteht schon seit Jahrhunderten, nur die Maschinen zur Umsetzung der Ideen fehlten noch. Vorreiter für die Definierung von künstlicher Intelligenz war Alan Turing. Er ging nämlich der Frage nach: Können Computer denken? Turing sagte 1951: Ja! Doch teilen wir heute noch die Ansichten von damals?


Den Namen der künstlichen Intelligenz oder auch kurz KI genannt, gibt es seit 1956. Doch erst in den letzten zwanzig Jahren entwickelte sich dieser Forschungsbereich enorm weiter und wurde mehr und mehr praxistauglich. Grund dafür: Technische Innovationen. Heute ist dieser Fachbereich nicht mehr wegzudenken und es gibt sogar einige Masterstudiengänge, die sich speziell mit Robotik und der KI beschäftigen. Denn KI ist überall.

"Der Laptop, den Sie da haben - da ist KI drin [...], wenn Sie ein Textverarbeitungsprogramm ansehen, egal von welchem Hersteller und da ist Rechtschreibkorrektur drin. [...] Es erhöht die orthografische Qualität des resultierenden Textes. Aber das geht nur mit Sprachtechnologie." - Reinhard Karger DFKI

Diese Sprachtechnologie wird mit einer KI betrieben, ist aber gleichzeitig ein Teil der Linguistik. In unserem Gehirn läuft auch eine automatische Rechtschreibkorrektur ab, die KI unterstütz uns in diesem Falle nur und ersetzt nicht vollkommen unseren Speicher- und Denkprozess. Schließlich müssen wir auch erst mal etwas zu Papier bringen beziehungsweise in den Laptop tippen. Wusstest du, dass unser Gehirn sogar Wörter und Sätze erkennen kann, die fast unleserlich sind? Hier ein kleiner Test für dich:

"D1353 M1TT31LUNG Z31GT D1R, ZU W3LCH3N GRO554RT1G3N L315TUNG3N UN53R G3H1RN F43H1G 15T! 4M 4NF4NG W4R 35 51CH3R NOCH 5CHW3R, D45 ZU L353N, 483R M1TTL3RW31L3 K4NN5T DU D45 W4HR5CH31NL1CH 5CHON G4NZ GUT L353N, 0HN3 D455 35 D1CH W1RKL1CH 4N5TR3NGT."

Und konntest du es lesen? Falls du da Probleme hast, nicht schlimm, es gehört auch ein wenig Übung dazu. Kennst du die Kölner Übersetzungs-KI DeepLe? Innerhalb von drei Sekunden erhältst du eine nahezu fehlerfreie Übersetzung in Echtzeit. Mit Ausnahme des oben genannten Textes, den erkennt DeepLe nämlich als Slowenisch. Auch diese KI dient nur als Werkzeug und erspart dir nicht das eigene Denken. 

Was kann also das menschliche Gehirn, was eine KI nicht kann?

Die Liste, was unser menschliches Gehirn alles kann, wäre grenzenlos. Die meisten Menschen verbinden mit dem Gehirn die kognitive Intelligenz, die über den sogenannten Intelligenzquotienten, kurz IQ messbar gemacht wird. Doch Intelligenz ist noch viel mehr als das. Da gibt es auch noch die sensomotorische Intelligenz und die emotionale und soziale Intelligenz. Damit du dir das besser vorstellen kannst, hier ein kleiner Denkanstoß für deine sensomotorische Intelligenz:

"Sie sitzen auf einem Fahrrad und fahren, halten also die Balance und halten auch die Richtung und plötzlich merken Sie irgendwie [...] es ist zu warm, Sie möchten den Hemdknopf öffnen und Sie können das machen, wenn Sie mit der einen Hand den Lenker halten mit der anderen greifen Sie zu dem Hemd und Sie friemeln den Knopf auf und haben auf einmal Luft, wo Sie Luft haben wollten. Und wenn Sie das beim nächsten Mal machen, überlegen Sie, was das für ein Vermögen ist, das Sie das können. Und dann denken Sie in diesem Moment an Roboter." - Reinhard Karger DFKI

Ein Roboter oder eine Maschine kann so etwas nicht. Eine KI macht nämlich nur das, wofür sie programmiert wurde. Dafür kann eine KI oder Maschine in bestimmten Bereichen den Menschen ziemlich gut unterstützen und entlasten, zum Beispiel in der Medizin oder beim Zugverkehr. Dem Menschen wäre es nämlich nicht möglich, dauerhaft neben einem Zug her zu laufen und dabei noch Multitasking-mäßig Daten handschriftlich zu erfassen und das Tempo des Zuges zu messen. Einer KI hingegen schon, die sammelt diese Daten einfach mithilfe von Sensoren und rechnet diese aus. Denn...

"Da ist KI drin. Da hilft KI. Und da rettet KI Leben." - Reinhard Karger DFKI

Die Daten einer KI sind auf einer Festplatte gespeichert, die dann ausgewertet werden, um Ziele zu erreichen. Doch um überhaupt eine Idee davon zu bekommen, was man überhaupt erreichen möchte, bedarf es Kreativität.

"Die Kreativität [...] ist nicht in der Maschine [...], die kreative Idee entsteht in meinem Kopf, da kann der Groschen fallen [...] auch das ist ein magischer Prozess. Nur beim Menschen, nicht bei Maschinen." - Reinhard Karger DFKI




Braucht eine KI Erholung?

Wir Menschen brauchen Schlaf und davon ganz schön viel. Fast die Hälfte unseres Lebens verbringen wir mit schlafen. Wenn wir das nicht tun würden, würden wir irgendwann sterben. Der Weltrekord von Schlafentzug liegt bei fast elf Tagen. Doch keine Angst, der Mensch ist so konzipiert, dass er irgendwann einfach einschläft. Da hilft auch der beste Kaffee nichts. Doch eine KI braucht keine Erholung.

"Die haben keinen Urlaubsanspruch, die haben keine Privatheit, die haben keine Leidensfähigkeit. Die beschweren sich auch nicht, weil sie haben auch gar keine Bedürfnisse. Und das, was am wichtigsten ist: Sie haben keinen Willen, sie haben keine Pläne, sie haben keine Ideen von der Welt und sie haben keine Triebe. Deswegen können sie auch einfach immer noch einen Rechner aus dem Auto schmeißen und sie werden damit keine Lebewesen gefährden außer da steht jemand." - Reinhard Karger DFKI

Es gibt kein Maschinenwohl, so wie es das Kindeswohl gibt, aber dafür eine Maschinen-Gesundheit. Die Maschinen überwachen sich nämlich selbst und sollen sich dann bei Bedarf melden und dem Menschen sagen: "Hallo hier ist zu wenig Öl, bitte nachfüllen, ich gehe langsam kaputt."

Ist es möglich, das Maschinen die Weltherrschaft an sich reißen?

Ob I Robot oder Matrix - es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine KI oder Maschine das Kommando übernimmt. Sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich:

"Wir kennen nur das menschliche Bewusstsein, wir haben gar keine Vorstellung davon, was das sein kann, ein maschinelles Bewusstsein. Aber wenn es so was gäbe wie ein maschinelles Bewusstsein, dann könnte auch damit so was verbunden sein wie ein Wille. [...] Plötzlich könnten Maschinen Motive haben" - Reinhard Karger DFKI

Aber zusätzlich zu unserem Schutz gibt es seit dem 21. April 2021 einen Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von künstlicher Intelligenz. Die KI-Technik und deren Anwendungsvielfalt sind großartig, aber es ist wichtig, dass es nicht aus dem Ruder läuft. Dabei werden zum Beispiel Systeme zur sozialen Bewertung durch Regierungen wie in einem Projekt in China in der EU verboten. Es bedarf also einer KI-Verkehrsordnung genauso wie es einer Straßenverkehrsordnung bedarf.


Was ist in der Zukunft denkbar?

Reinhard Kargers Zukunftswunsch für die KI: Ein Dialogsystem, dass nicht nur Daten und Fakten aufzählt, sondern auch Zusammenhänge ergründen und Ursachen und Wirkungen kennt. Sprich, eine Art Super-Brain-Wikipedia. Doch der Zugriff einer KI auf das menschliche Bewusstsein wird auch dabei nicht möglich sein. Also kein, ...

"Aha, ich brauche Chinesisch, schlingel schlangel, dann hier chinesisch, zack zack Download und flumps auf einmal könnte ich Chinesisch verstehen oder sprechen, das ist Science-Fiction. Die Grenze zum Bewusstsein, die wird man aktuell nicht überschreiten." - Reinhard Karger DFKI

Aber für was brauchen wir unser Gehirn dann eigentlich noch, wenn alles Future-Wikipedia für uns erledigt?

"Wir brauchen unser Gehirn in 20 bis 30 Jahren wie wir jetzt unsere Füße und Beine [...] brauchen, obwohl es Fahrräder gibt und Aufzüge und Autos." - Reinhard Karger DFKI



Fazit: Die künstliche Intelligenz ist und bleibt ein Werkzeug und eine Maschine, die uns befähigt und erleichtert, Dinge zu tun. Aber wer weiß, was in Zukunft noch so alles möglich sein wird...

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