Beau is Afraid

Beau is Afraid

egoFM Trailer

Von  Fabian Broicher
Wie genial der neueste Streich von Ari Aster ist, weiß egoFM Kinoredakteur Fabian Broicher.



Die Anzahl der Filmschaffenden, deren charakteristische Handschrift anhand von wenigen Filmen zu erkennen sind, lassen sich an ein bis zwei Händen abzählen: Ein Kubrick gehört dazu, ein Spielberg, womöglich auch eine Greta Gerwig, ein Luca Guadagnino, ein Denis Villeneuve. In diese Liste der großen Namen reiht sich nahtlos Ari Aster ein. Gleich mit seinen ersten beiden abendfüllenden Spielfilmen Hereditary und Midsommar begann er, das in großen Teilen festgefahrene moderne Horrorkino durch intelligente Handlung, kluge Analogien und einem markerschütternd guten visuellen Stil zu revolutionieren. Nun läuft Asters neuer Film Beau is Afraid an, in dem er zumindest teilweise die Reihe durchbricht und seinen Hauptdarsteller Joaquin Phoenix in einer Art lustigem Grusel auf eine tragikomische Odyssey schickt.

Worum geht's in Beau is Afraid?

Eigentlich möchte Beau Wasserman nur seine Mutter, Vorsitzende eines weltweit einflussreichen und milliardenschweren Pharmakonzerns, besuchen, denn es jährt sich der Todestag seines Vaters. Doch dann klaut ihm ein offenbar aufgebrachter Nachbar, der sich wegen angeblich zu lauter nächtlicher Musik beschwert hat, sein Reisegepäck samt Schlüssel, und als in seinem Haus auch noch das Wasser abgestellt wird, obwohl er seine neuen Medikamente ausschließlich mit Wasser nehmen soll, übermannt ihn die Panik. Durch einen unglücklichen Zufall landet er buchstäblich vor dem Truck des Ehepaars Grace und Roger, die den frisch Angefahrenen aufnehmen und gesund pflegen möchten. Oberflächlich scheinen sie umgänglich, je mehr Zeit Beau jedoch bei ihnen verbringt, desto gruseliger werden sie und insbesondere ihre Tochter, die dem Gast der kleinen Familie damit droht, sich umzubringen, sollte er nicht verschwinden. Dann erhält Beau die Nachricht, dass seine Mutter verstorben sei – und damit wird alles noch viel, viel schlimmer…
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So ist Beau is Afraid

Trotz seiner bislang überschaubaren Karriere kennt man Ari Aster als unberechenbaren kreativen Geist. Auf den im wahrsten Wortsinn düsteren Hereditary folgte mit Midsommar eine bitterböse und zugleich tieftraurige Analogie auf Depressionen, die ausschließlich bei Tageslicht spielte. Diese Gegensätze prägen nun auch Beau is Afraid. Auf der einen Seite schickt Aster seine Hauptfigur Beau von einer angsteinflößenden Situation in die nächste, inklusive eines Funken sprühenden Fahrstuhls sowie eines frei herumlaufenden Nackedei-Mörders, die in Summe wirklich an die Substanz gehen, vor allem bei einer Laufzeit von fast drei Stunden. Andererseits beweist Aster, dass in ihm ein erstaunlich fähiger humoristischer Geist zu stecken scheint, reihen sich Absurditäten und Situationskomik aneinander, die schlussendlich in einem der verrücktesten Filmfinale der letzten zehn Jahre münden, bei dem das Lachen im Halse stecken bleibt.

Wie immer grandios spielt Joaquin Phoenix, der dem ohnehin zu Beginn des Films bereits ein nervliches Wrack darstellenden Beau Schicksalsschlag um Schicksalsschlag mimisch nuanciert verarbeiten lässt. Er ist es, gepaart mit Asters beeindruckenden Bildern, der die Geschichte auf seinen Schultern trägt, zusätzlich zu den bis in die kleinsten Nebenrollen perfekt besetzten Darsteller*innen. Insbesondere brillieren Patti LuPone und Zoe Lister-Jones als Beaus Mutter Mona sowie Amy Ryan in einer verstörend schizophrenen Performance. Auch wenn dieser ödipale Selbstfindungstrip sicherlich nicht jeden Geschmack treffen wird und das Sitzfleisch im Kinosessel bei drei Stunden wirklich dank einer stellenweise quasi nicht mehr existenten Handlung bis an die Belastbarkeit strapaziert wird, stellt Ari Asters neueste filmische Vision einen echten Höhepunkt im bisherigen Kinojahr dar.

Beau is Afraid ist herausfordernd, verstörend und absolut überwältigend – dafür gibt es 10 von 10 Mutterkomplexe.

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