Roosevelt ist schon so lange in der egoFM Playlist, dass wir gar nicht fassen können, dass der Wahlkölner jetzt erst sein zweites Album veröffentlicht hat.
Rewind
Marius Lauber aus Viersen an der holländischen Grenze unternimmt schon sehr jung erste Versuche am Klavier, gefolgt von Gitarrenstunden in der 5. Klasse – weil plötzlich alle Schulfreunde ein Instrument in der Hand halten. Ein Interesse an Musik und ein Gespür für Harmonien vibrieren da schon immer irgendwo, die Herangehensweise bleibt experimentell und der Lernrhythmus unbeständig.Mit 16 haben die Schulfreunde genug Erfahrung gesammelt, um eine Freizeitband zu gründen, die zwei Jahre später den Namen Beat! Beat! Beat! erhält und reif für die Öffentlichkeit wird. Und plötzlich überrollt der Erfolg die vier Jungs – der New Musical Express lässt die Bezeichnung "die deutsche Antwort auf die Foals" fallen, die an den 18-Jährigen hängt wie ein Untertitel zum Bandnamen – in großen Neonlettern. Doch kurze Zeit darauf beginnt der Abnabelungsprozess von der Indierockband, der erste Schritt als Solomusiker wird gedacht.
Seit 2012 macht Marius sein eigenes Ding als Roosevelt
Natürlich vermisst er die Bandzeiten manchmal. Aber es gab einfach zu viel, was ausprobiert werden wollte, zu viele dringende Ideen, die der Demokratie einer Band aus vier Freunden zum Opfer fielen. Marius kämpft lange mit halb fertigen Songs, bis die zweite Hälfte zu ihm findet. Als Antwort auf die zuvor gestellte Frage, wie der Künstler selbst sagt.Die Beat! Beat! Beat! Indie-Vergangenheit verschmilzt dabei mit Einflüssen der Kölner Elektroszene und dem ganz eigenen Output zu Songs, die die persönliche Roosevelt-Sprache sprechen.
Dann der Karrieredurchbruch – kürzeste Zeit nach dem Start des Soloprojekts: Joe Goddard von Hot Chip wird via YouTube und nimmt ihn prompt unter seine Fittiche. Die ersten Singles werden unter Greco Roman veröffentlicht - dem Label, das von Joe Goddard mitgegründet wurde. Somit erschließt sich sofort auch Publikum im Ausland. Die erste Tour bestreitet er mit gerade mal vier Songs. Aber anstelle von Starallüren sind da Vernunft und Gelassenheit: Jetzt erst mal die Notbremse ziehen und das Debütalbum fertig machen. Beim Songwriting schließt er immer noch die Augen und wartet, bis die Musik zu ihm findet.
Aber anstatt nach dem musikalischen Senkrechtstart abzuheben, hat er sich seine Gelassenheit nicht nur bewahrt, sondern professionalisiert. Er beschreibt sich selbst als zurückhaltend, euphorisch und laut – und er kann auch mal jemand anderem zuhören als sich selbst: Manchmal spielt er Schlagzeug und hört gleichzeitig über In-ear-Kopfhörer Hörbücher. Dem brauchen wir eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Nun das nächste Kapitel: Young Romance
Das verträumt schöne Gefühl vom Beginn der 10er Jahre wird aufgewärmt.
Ja, schon krass, aber es ist tatsächlich schon sieben Jahre her, dass Drive in den Kinos anlief. Der Film, der unter anderem wegen seines perfekten Soundtracks, der mit seichtem Dream- und fülligem Synth-Pop geschwängert ist, gefeiert wurde. Young Romance würde auch prima in die Bilder des Regisseurs Nicolas Winding Refn passen.Denn ebenso wie es Bands wie es Desire, Chromatics, M83, aber auch The Naked and Famous und Beach House schaffen, den Hörer in eine parallele Zuckerwattenwelt zu beamen, kann man prima bei den zwölf Songs von Young Romance abdriften - in eine Welt, in der man noch Träume hatte und diese um jeden Preis verfolgt. In eine Welt, in der man nachts mit offenem Fenster in der Stadt rumfahren kann, ohne jemals von roten Ampeln aufgehalten zu werden. In eine rosige Welt, in der Verliebtsein noch schön und aufregend war.
Genau darum geht's auf dem Album übrigens auch: Liebe.
Das hast du dir aber vielleicht schon in Anbetracht des Titels Young Romance denken können. Allerdings wird nicht nur die schöne Liebe besungen. Es geht genauso um Schmerz und Verlust, doch das nehmen wir ihm nicht übel, immerhin heucheln uns die synth-poppigen Dream-Pop-Melodien etwas tröstliches vor.Diesen Stil, also funky Dream-Pop mit breiten Synth-Flächen, hat Roosevelt auf seinem Debütalbum etabliert.
Roosevelt sagt über sich selbst, er spiele alle Instrumente, aber alle schlecht. Gleichzeitig beweist er, dass es nicht nur die Technik an den Saiten oder den Sticks ist, die einen guten Song ausmacht, sondern eben die Komposition der eventuell simplen Einzelteile zu einem neuartigen, komplexen und doch abgerundeten Ganzen. Dabei kann er auf zwei Dinge vertrauen: die Fähigkeit, abwarten zu können bis eine Idee gereift ist und die Gabe, genau diesen Moment zu erkennen, wenn er da ist.Weiterentwicklung trotz Stiltreue
Obwohl Roosevelt mit Young Romance seinem unverwechselbaren Klang treu bleibt, hört man nichtsdestotrotz eine Weiterentwicklung. Während Marius auf seinem Erstlingswerk das Talent erst noch auslotet, weiß der vielbeschäftigte Produzent und DJ heute durchaus, warum und wofür ihn 2016 alle gefeiert haben und arbeitet an den wenigen Schwachstellen. So klingt Young Romance definitiv substanzvoller und besser produziert. Credits dafür stehen definitiv auch seinem Produzenten zu: Nachdem Marius die Demos fürs zweite Album mit etlichen Vintage-Synthesizern in seinem Kölner Studio komponiert hat, hat er sich auf gemacht nach Kalifornien, wo sich Chris Coady dem Produzieren der Songs angenommen hat. Und der - das sollte nun aber wenig überraschen - hat unter anderem schon für Bands wie Beach House und Grizzly Bear gearbeitet.Roosevelt für immer
Mit Young Romance beweist der 27-Jährige, dass der Hype zu Beginn seiner Karriere keine Eintagsfliege war. Wir sagen es vorsichtshalber jetzt schon mal: In zehn Jahren wird Roosevelt mindestens genauso groß sein wie seine Mentoren.Tracklist: Roosevelt - Young Romance
01 Take Me Back02 Under The Sun
03 Yr Love
04 Illusions
05 Losing Touch
06 Pangea
07. Lucia
08 Better Days
09 Shadows
10 Last To Know
11 Forgive
12 Getaway
Artikel teilen: