Florence + The Machine - High As Hope

Florence + The Machine - High As Hope

Der Lieblingstonträger der Woche

Hau alles raus aus dem Fenster, deine ganze Bude. Sofa, Bett, Fernsehr und erst recht den ganzen Nippes. Schau vorher, ob unten jemand lang geht, aber dann kein Zurück. Den Platz brauchst du nämlich für neue, große Boxen, damit du Florence + The Machines neues Album in angemessener Lautstärke hören kannst.

Dann kannst du auch gleich einen Neustart machen. Sowas sollten wir generell viel öfter machen, machen Schlangen zum Beispiel auch und damit geht es denen richtig gut. Das alte verbrauchte Leben einfach mal austauschen. Fehler akzeptieren und dann gleich abhaken. Davor aber noch Entschuldigungen raushauen an alle Menschen, die man jemals verletzt hat. Und sich natürlich auch bedanken bei den Menschen, die die trotz Verletzungen immer für einen da waren. Dann aber zack: Besagte Möbel aus dem Fenster - auch sowas wie Gardinen. Gerade die Gardinen! Das Motto sollte lauten: Raus aus der Dunkelheit, hinein ins Licht. Oder auch:

Raus aus dem Keller, hoch zur Hoffnung.


Das beschreibt in etwa die Gefühlsexplosion, die das Anhören von High as Hope detonieren lässt. Und es scheint auch in etwa das zu beschreiben, was Sängerin Florence Welch anstrebt. Ihr viertes Studioalbum klingt, als hätte sie sich nach ihrem Pamphlet über die inneren Dämonen - dem Vorgängeralbum How Big, How Blue, How Beautiful (2015) - aktiv mit dem Ausbruch aus der Dunkelheit befasst.
Seit dem letzten Werk hat sich einiges im Leben der Sängerin getan, so hat sie zum Beispiel mit dem Trinken aufgehört und sich aus einer toxischen Beziehung befreit. Kaum verwunderlich also, dass jetzt mit High as Hope die Fenster aufgerissen werden. Einmal kräftig durchlüften und wenn die Fenster eben schon mal offen sind, dann kann man auch gleich alles, was innerlich rumgegiftelt hat, raus in die Welt schreien.

Einsamkeit. Depression. Selbstverletzendes Verhalten. Essstörungen. Zum Beispiel. Damit ist auch das vierte Album wieder wahnsinnig persönlich. In "Hunger" singt Florence Welch:

"At seventeen, I started to starve myself / I thought that love was a kind of emptiness / And at least I understood then the hunger I felt / And I didn't have to call it loneliness."

All diese düsteren Themen werden aufgegriffen, ohne dass die Hoffnungslosigkeit Überhand gewinnt. Im Gegenteil: Auf High as Hope werden die Dämonen nicht mehr nur benannt. Sie werden verbannt.
Dazu werden auch diejenigen ins Spiel gebracht, die stets für Hoffnung in Florences Leben sorgten. Patricia zum Beispiel. Im gleichnamigen Song singt Welch:

"But you remind me that it's such a wonderful thing to love."

Der Klang von High as Hope ist pompös wie eh und je - obwohl er minimaler ist.

Das ist wohl so ein ähnliches Phänomen wie die Stille im Film, beziehungsweise das Gegenteil davon: Um Geräuschlosigkeit zu vermitteln, werden Geräusche wie Hundebellen verwendet. Und auf High as Hope werden eben lange, ruhigere Aufbauten benutzt, um den Eindruck von üppigem Klang rüber zu bringen. Das funktioniert fabelhaft. 
Könnte aber auch an den Genies liegen, die am Album mitgemischt haben - Jamie xx, Kamasi Washington, Andrew Wyatt und Emile Haynie (der hat unter anderem schon für Kanye West und Lana Del Rey produziert).

Der Anti-Held als Hoffnungsträger

High as Hope ist - wie bereits gesagt - ein Album, das du nicht zu leise anhören solltest. Diese ganzen Gefühle, die Florence Welch vertont, gehören aus den größten, bassigsten Boxen geballert, die du nur finden kannst. Der Klang in Kombination mit den persönlichen Texten fängt jeden, der sich einmal in ähnlichen Lebenslagen befunden hat (und wer hat das bitte nicht) unfassbar weich auf, lullt ein und verrät: Es gibt ja noch Hoffnung. Kopf hoch. Und dafür lieben wir diesen Pop-Star, der Florence mittlerweile ist.


Tracklist: Florence + The Machine

01. June 3:41
02. Hunger 3:34
03. South London Forever 4:22
04. Big God 4:01
05. Sky Full Of Song 3:45
06. Grace 4:48
07. Patricia 3:37
08. 100 Years 4:58
09. The End Of Love 4:41
10. No Choir

High as Hope von Florence + The Machine wurde am 29. Juni 2018 via EMI UK veröffentlicht.

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