Everything Else Has Gone Wrong

Everything Else Has Gone Wrong

„Als es mit uns losging, haben wir uns nicht als Teil einer Szene gefühlt“, verrät Jack Steadman, Sänger und Hauptsongwriter des Bombay Bicycle Club, gegenüber Apple Music. „Vermutlich, weil wir immer eine ziemlich ungesellige Band waren. Eher schüchtern – wir waren schließlich fünf Jahre jünger als alle anderen. Sich einer Szene unterzuordnen ist ohnehin gefährlich, weil sich Szenen ständig weiterentwickeln. Vielleicht waren wir also eher schlau.“ Die Nordlondoner waren 2016 auch schlau genug zu wissen, dass nach einer Dekade des Zusammenspielens und vier Alben in fünf Jahren eine Pause fällig war. Steadman und Bassist Ed Nash gönnten sich Soloausflüge, Drummer Suren de Saram sammelte als Sessionmusiker neue Inspiration und Gitarrist Jamie MacColl ging an die Uni. „Wir trafen uns wieder und sprachen über die Band, weil wir überlegten, etwas anlässlich das zehnten Jubiläums unseres Debütalbums zu machen“, so Nash. Steadman war nicht überzeugt. „Ich dachte sofort, dass wir damit wie eine Museums-Band aus den Achtzigern wirken“, lacht er. „Das gab mir den Antrieb, über neue Musik nachzudenken und mehr nach vorne zu blicken.“ Gestaffelte Aufnahmesessions mit Produzent John Congleton in Cornwall und Los Angeles brachten eine Reihe dynamischer, ausdrucksstarker und belebender Gitarrensongs hervor. Die Band legte ihre musikalische Latte nochmal höher. „Wir erkannten Themen, die sich durch das Album zogen: der Trost, den Musik und Freundschaft spenden, wenn andere Dinge scheitern. Etwas zu haben, auf das man sich verlassen kann“, erklärt Nash. „Je mehr wir darüber nachdachten, umso mehr hat es für uns dieses Album auf den Punkt gebracht.“ Ein Track-by-Track mit Nash und Steadman durch „Everything Else Has Gone Wrong“. Get Up Ed Nash: „In der Regel streiten wir über die Reihenfolge der Tracks. Aber der hier passte thematisch und strukturell nirgendwo sonst auf das Album. Er heißt schließlich ‚Get Up‘ und die anderen Songs nicht.“ Jack Steadman: „Dieser Song stammt aus meinen ‚Mr Jukes‘-Tagen [Steadman veröffentlichte 2017 unter dem Pseudonym „Mr Jukes“ das Album „God First“]. Als ich ihn damals schrieb, legte ich ihn zur Seite, und dachte so halb, dass er im Falle einer Band-Reunion perfekt wäre.“ Nash: „Jack kann sein jazziges Songwriting jetzt mit Mr Jukes ausleben. Deswegen durfte Bombay wieder zum Sound von ‚A Different Kind of Fix‘ [das dritte Bandalbum von 2011] zurückkehren.“ Steadman: „Es war nett, Ed und Suren im Studio dabei zuzusehen, wie sie live zusammenspielten. Wir waren immer eine Band, die getrennt aufnahm, um dann alles in der Postproduktion zu perfektionieren. Es war also schön zu sehen, wie John einfach den Aufnahmeknopf drückte – und das ist es auch, was du auf dem Album hörst.“ Is It Real Steadman: „Das war einer der Songs, der als letztes geschrieben wurde. Inhaltlich ist es das einzige rückwärtsgewandte Lied auf dem Album. Wir wollen zukunftsorientierte Musik machen, aber man muss auch den anderen Gefühlen Platz einräumen. Das hier ist zudem ein Beispiel für jede Menge Computertrickserei von meiner Seite. Ich habe Gitarren aufgenommen, aber dann die Tonhöhe am Computer moduliert. Ich experimentiere einfach ohne Instrument und vertiefe mich ins Soundediting, um auf diese Weise kreativ zu sein und dem Song auf die Sprünge zu helfen.“ Everything Else Has Gone Wrong Steadman: „Wenn man ein Jahr lang an einem Album geschrieben hat und zum Ende kommt, stellt sich dieses Gefühl der Erleichterung ein, weil es eine solch emotionale Achterbahnfahrt ist. Als wir bei diesem Song angelangt waren und merkten, dass er das letzte Puzzlestück sein könnte, war die Aufregung groß. Die Zeile ‚I think I’ve found my second wind‘ fängt dieses Gefühl und auch meine mangelnde Subtilität ein.“ I Can Hardly Speak Nash: „Der hier wurde ungefähr 2014 geschrieben. Wenn ein Stück älter ist, verliert es oft seinen Reiz. Aber ich habe mich für diesen Song eingesetzt, habe ihn in jedes Gespräch eingeflochten, ihn in E-Mails erwähnt. Glücklicherweise war John gleicher Meinung.“ Steadman: „Es ist ein ziemlich ungewöhnlicher Groove, weil er ein bisschen an eine Marschkapelle erinnert. Für mich hat er was von einem alten Volkslied, das Leute früher gesungen haben. Auf dem Papier ergibt das wenig Sinn und müsste furchtbar klingen. Aber irgendwie funktioniert’s.“ Good Day Nash: „Dieses Lied habe ich Anfang 2019 in Cornwall geschrieben, als ich an einem zweiten Album meines Soloprojekts Toothless arbeitete und Jack mit der Bombay-Musik half. Unser Gitarrist Jamie, der zu der Zeit an seinem Uniabschluss arbeitete und sich über viele Dinge große Sorgen machte, fühlte sich sehr von dem Text angesprochen. Die Bedenken im Lied werden auf eine positive und lustige Art geäußert, aber es steckt auch ein Funken Wahrheit drin. Als ich mit meinem Soloprojekt unterwegs war, quälten mich manchmal Gedanken wie ‚Warum sind diese anderen Leute alle erfolgreich?‘. Es ist total normal, dass einen der Erfolg anderer Menschen beschäftigt und man sich mit ihnen vergleicht.“ Eat, Sleep, Wake (Nothing But You) Nash: „Als Jack meinte, er wolle wenigstens versuchen, neue Musik für die Band zu schreiben, haben wir ein paar Trips unternommen und uns darauf verständigt, dass wir einen Schlussstrich ziehen, falls es nicht klappt. Dieser Song entstand auf der zweiten Reise. Jack hat ihn rumgeschickt und man konnte die Aufregung in der Band spüren. Wir wussten, dass das hier mit allem mithalten konnte, was wir vorher gemacht haben.“ Steadman: „Zu wissen, dass du etwas hast, mit dem du arbeiten kannst, ist ein unvergleichliches Gefühl. Und wenn dann dein Manager anruft, weißt du, dass es gut ist. Normalerweise kommt eine aufmunternde E-Mail. Aber wenn sie zum Hörer greifen, steht fest, dass du eine Single oder einen sehr besonderen Song hast. Das war der Wendepunkt im Arbeitsprozess. Selbstbewusstsein ist das Wichtigste beim Songwriting und Aufnehmen von Platten, und ein Song wie dieser verleiht dir das Selbstbewusstsein, weiterzumachen. Du nimmst den Swagger mit, den er dir gibt.“ I Worry Bout You Steadman: „Die Leute scheinen dieses Intro zu mögen. Ich finde es leicht, den Anfang für einen Song zu schreiben. Ich habe Tausende Intros auf meinem Computer. Das Schwere ist, daraus ein ganzes Lied zu machen. Wir waren immer eine Band, die sich sowohl mit elektronischer als auch gitarrenlästiger Musik. Viele unserer Stücke fangen recht elektronisch an, weil mich Produktion fasziniert. Dann holen wir die Gitarren raus und ergänzen den Sound. Inhaltlich ist dies ein Song voller Ängste. Wir konnten nicht mit einem Album über Mädchen und junge Liebe zurückkommen. Wir wollten Leute in unserem Alter ansprechen, die auf die 30 zugehen.“ Nash: „Es ist eine Übergangsphase: Du bist nicht jung, aber auch nicht alt. Du bist dabei, dich zu finden.“ Steadman: „Der hier gehört zu den Songs, auf die ich mich live freue. Es steckt viel Energie drin und er hat am Ende eine schöne Blechbläser-Melodie, die Suren geschrieben hat. Das war eine Premiere für ihn: Er kam nach der Pause mit dem Selbstbewusstsein ins Studio, uns seine eigenen brillanten Ideen vorzustellen.“ People People (feat. Liz Lawrence) Nash: „Ich schreibe seit vier Jahren Musik mit Liz, die bereits 2014 das ganze Jahr hindurch mit uns gesungen hatte. Wir hatten über eine gemeinsame EP nachgedacht, dann schrieb sie diesen Song und schickte ihn mir, damit ich ihn vollende. Ich habe die Bridge geschrieben und den Song vervollständigt. Aber dann lief‘s mit ihrer Soloarbeit immer besser und die EP wurde auf Eis gelegt. Ich glaube, dass Liz den Song ursprünglich über ihren Vater geschrieben hatte, aber ich dachte, es könnte komisch sein, wenn wir über unsere Väter singen. Deshalb haben wir die Bedeutung geändert. Jetzt geht es mehr darum, deinen Platz in der Welt zu finden, mit Menschen, die dir zur Seite stehen.“ Steadman: „Ich singe gerne mit anderen Leuten. Meist sind es Sängerinnen. Ich schreibe sehr hohe Gesangsparts für meine Stimme. Statt wie ein Eunuch zu klingen, finde ich es nett, sich Leute dazuzuholen, die diese Töne tatsächlich treffen können.“ Do You Feel Loved? Nash: „Wenn du hier viel Verzerrer draufpacken würdest, wäre das ein super Metal-Track. Vielleicht ist es unser Glück, dass wir die Verzerrung runtergenommen haben, so dass er sehr nach uns klingt. Eine Mischung aus Weltmusik-Einflüssen, Elektronik und einem kompletten Band-Setup.“ Steadman: „In dem Song geht es um unser Verhältnis zu den sozialen Medien. Um dein Schaffen zu rechtfertigen, musst du es promoten und brauchst Leute, die sagen: ‚Ja, das ist super.‘ Es entsteht eine interessante Diskussion über Musik und warum Menschen sie machen. Es fängt natürlich damit an, dass du in deinem Kinderzimmer Songs für dich selbst schreibst. Aber es wäre gelogen zu behaupten, dass es heute immer noch so ist. Du schreibst als jemand, der Fans hat, und du willst, dass die Leute deine Musik lieben, weil dich das glücklich macht.“ Let You Go Steadman: „Ich habe diesen Synthesizer namens OP-1, in dem ein UKW-Radio steckt. Wenn du auf Tour bist, kannst du also direkt aus dem Radio samplen und lokale Sounds sammeln. Wir waren in den Staaten, als auf einmal dieser völlig unbekannte Song lief. Er ist jetzt so in seine Einzelteile zerlegt, dass du ihn auf keinen Fall mehr identifizieren kannst. Ich liebe es, so Musik zu schreiben, denn du spielst auf einer Tastatur. Aber statt der üblichen Noten gibt es jedes Mal, wenn du etwas drückst, ein kindliches Gefühl der Überraschung und Freude. Es ist nichts Verkopftes daran. Der Track klingt ziemlich seltsam. John hat viele produktionstechnische Details eingebaut, die wir lieben.“ Racing Stripes Steadman: „Das ist mein Lieblingsstück auf dem Album, glaube ich. Es ist ein sehr intimer Moment und macht deutlich, dass es sich um ein optimistisches Album handelt und das Lied auch so interpretiert werden sollte. Es wurde auf einem 200 Jahre alten Harmonium komponiert. Ich hatte zuvor noch nie auf einem gespielt. Wenn dir so etwas Neues über den Weg läuft, wird das Erste, was du darauf schreibst, auf jeden Fall interessant. Leute suchen immer nach diesen Erfahrungen, deshalb lernen so viele Musiker so viele ungewöhnliche Instrumente. Das erste Mal ist immer sehr besonders. Das Ende mit den Worten ‚This light will keep me going‘ bringt das Thema des Albums auf den Punkt. Das ist der perfekte Abschluss.“

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