Was ist Musik wert?

Was ist Musik wert?

Wie die Bezahlung von Streaming-Diensten funktioniert

Von  Sabrina Luttenberger
Spotify, Apple Music oder Deezer. Auf Streaming-Diensten gibts mehr als 70 Millionen Songs, immer zugänglich für Nutzer*innen. Die Künstler*innen profitieren aber nicht alle davon. Warum die Bezahlung oft unfair ist und welche Lösungen es gibt, erklären wir dir hier.


"Keine zwei Cent für dieses Lied, wann genau ist das geschehen?"

Das fragt sich Liedermacher Arthur Horváth in seinem Song "Geschichten": Ja, wann ist das geschehen? Kurz gesagt: Mit der Einführung von Streaming-Diensten. Dabei sind 2 Cent pro Stream sogar noch ziemlich viel. Spotify zahlt circa 0,3 Cent pro Stream, bei Apple Music gibt's immerhin schon einen ganzen Cent. Will man auf YouTube Music als Künstler*in Geld verdienen, braucht's laut einer Studie über 1.600 Streams für einen Euro. Am rentabelsten sind angeblich Napster/Rhapsody (59 Streams pro Euro) oder Tidal (89 Streams pro Euro). 

Demonstrationen für faire Musikindustrie

Allein diese geringen Einnahmen haben Künstler*innen weltweit dazu veranlasst, gegen die ungerechte Finanzierung von Streaming-Diensten auf die Straße zu gehen. Die Gewerkschaft Union of Musicians and Allied Workers setzt sich für eine faire Musikindustrie ein.
"We will continue to organize around issues such as demanding fairer deals from streaming services, ensuring musicians receive the royalties they are owed, establishing more just relationships with labels, and creating safer guidelines for venues." – Union of Musicians and Allied Workers

Im März organisierten sie in 31 Städten Demonstrationen vor zahlreichen Spotify Büros, um gegen die unfaire Bezahlung zu protestieren. Ihre Forderungen: Zumindest einen Cent pro Stream und ein neues Bezahlungsmodell.

 

Wie funktioniert die Bezahlung von Streaming-Diensten?

Bevor wir das vorgeschlagene Modell zeigen, erklären wir dir erstmal, wie die Streaming-Dienste die Künstler*innen momentan bezahlen: Die Plattformen arbeiten nach dem sogenannten "Pro-Rata" Modell: Die Abo-Einnahmen, die du für einen Monat zahlst, landen in einem Topf. Zwei Drittel davon werden anteilig ausgeschüttet, das heißt, die Plattformen rechnen zusammen, wie oft die Musik von bestimmten Künstler*innen gehört wurde. Hier werden auch die Streams von Free-User*innen eingerechnet, das heißt, du zahlst mit deinem Abo auch indirekt für sie. Dann teilen die Streaming-Dienste diese Zahl durch die Gesamtzahl ALLER Streams. Je nach Marktanteil bekommen die Musiker*innen dann ihr Geld. Und wenn die Künstler*innen bei einem Label unter Vertrag stehen, geht natürlich auch ein Teil daran. Also auch wenn du deine Lieblingslokalband hörst, profitieren davon letztlich Musikgrößen wie Drake oder Ed Sheeran.

Laut und klar für Transparenz

Weil das Ganze kompliziert ist und andauernd bemängelt wird, hat Spotify (auch als Antwort auf die Demonstrationen der Union of Musicians and Allied Workers) die Website "Loud & Clear" gelauncht. Damit will das Unternehmen Transparenz schaffen und veröffentlicht Daten zur globalen Musikstreaming-Industrie und einen Überblick über Lizenzzahlungen. Zum Vorwurf der ungleichen Verteilung sagt die Plattform folgendes:
 "Einige Faktoren tragen dazu bei, dass dieses Verhältnis klein aussieht, und wir verstehen, dass das bedenklich wirken kann. Wir glauben nicht, dass es das auch ist – wir sind zuversichtlich, dass unser Modell für alle den bestmöglichen Umsatz generiert." – Spotify, Loud & Clear


Die Krux mit dem Streaming: Der Algorithmus

Die Kritik an der Kampagne: Mit dem bestehenden "Pro-Rata Modell" gehe es Streaming-Diensten wie Spotify jedoch nicht um den Umsatz für Einzelne, sondern nur für die Musikindustrie insgesamt. Dass große Künstler*innen mehr Hörer*innen haben, ist vielleicht erstmal logisch. Dass die immer mehr werden, wohingegen kleine Bands im Monat nur wenige Fans dazugewinnen, liegt aber unter anderem auch am Algorithmus der Streaming-Dienste. In seinem YouTube-Video "Die Krux mit dem Streaming" erklärt Rapper Juse Ju, würden sich Superstars dadurch ständig reproduzieren. Außerdem kritisiert er neben der ungerechten Finanzierung die von Streaming-Diensten kuratierten Playlists, die ebenfalls entscheiden, auf welche Musik Nutzer*innen aufmerksam werden und welche Songs der breiten Masse verwehrt bleiben.

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User-Centric und Fan Powered Royalties

Ein Modell, das der ungerechten Verteilung ein Ende setzen soll, ist das "User-Centric" Modell. Wie der Name schon sagt, ist es auf die Nutzer*innen fokussiert und die Einnahmen würden sich somit nach dem individuellen Hörverhalten der Nutzer*innen richten. SoundCloud hat so ein Modell erst vor ein paar Monaten eingeführt. Die Band Portishead hat die sogenannten "Fan Powered Royalities" schon ausprobiert und ein Cover von Abbas "SOS" hochgeladen. Das Ergebnis: In weniger als einem Monat hatte der Song laut Angaben von SoundCloud sechs mal so viel verdient, wie unter einem "Pro-Rata-Modell."

Wie wahrscheinlich ist so ein Modell wirklich?

Dass Plattformen wie Spotify dieses Modell noch nicht eingeführt haben, hat mehrere Gründe: Zum einem sagt Spotify in der Loud & Clear Kampagne, würde es sich nur um ein paar Euro pro Jahr handeln, die die Künstler*innen mehr bekämen und man müsse sowieso erstmal die Labels, die Rechteinhaber*innen der meisten Songs, fragen. Die Gewerkschaft Union of Musicians and Allied Workers gab sich mit solchen Aussagen nicht zufrieden und reagierte mit einer Gegenkampagne mit dem Titel "Louder & Clearer." Darin schreiben sie: Wenn Künstler*innen schon ein gewisses Einkommen generieren, sollte es auch an sie gehen. Außerdem seien Major Labels laut einer Untersuchung des britischen Parlaments bereit, sich ein "User-Centric" Modell mal anzuschauen. Wie wahrscheinlich so eine Änderung bei großen Streaming-Diensten tatsächlich ist, ist unklar. Major Labels profitieren mit ihren Musikgrößen bereits vom bestehenden "Pro-Rata" Modell.

 


Wie können wir denn jetzt kleinere Künstler*innen supporten, damit die fair bezahlt werden?

  • Künstler*innen auf Plattformen wie Fanklub oder Patreon supporten (hier zahlen Fans monatlich Geld an ihre Lieblingskünstler*innen und bekommen dafür exklusive Einblicke und können mit ihnen kommunizieren. Und die Künstler*innen wiederum haben damit ein stabiles monatliches Einkommen.)
  • Singles und Alben kaufen – wer hier auf Plastik/Müll verzichten will, kauft sie einfach digital
  • Merchandise
  • Konzerttickets
  • Eventueller Wechsel zu einem anderen Streaming-Dienst

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