Raus aus der Alkoholabhängigkeit

Raus aus der Alkoholabhängigkeit

Dennis Kassel im Interview mit egoFM Max

Dennis war früher alkoholabhängig. Heute lautet seine Devise: Nie wieder Alkohol! Wie ist es, von Alkohol abhängig zu sein und wie schafft man es, von ihm wegzukommen?


Nie wieder Alkohol

7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen in Deutschland konsumieren laut dem Bundesgesundheitsministerium Alkohol in "gesundheitlich riskanter Form". Wie riskant und schädlich Alkoholkonsum sein kann, das weiß Dennis Kassel. Lange war er alkoholabhängig, bis er 2019 dann den Entschluss gefasst hat, aufzuhören zu trinken.

Wie ihm das gelungen ist und welche Klischees über alkoholabhängige Menschen nach wie vor existieren, erzählt er im Interview mit egoFM Max.

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Trinken bis zum Leberschaden

22 Jahre in Summe hat Dennis missbräuchlich getrunken. Erst ist es nur das tägliche Feierabendbier, nach und nach wird es aber immer mehr und vor allem trinkt er auch immer früher. Irgendwann, sagt er, schafft er die Abbiege nicht mehr und münzt den Alkohol für sich positiv um. Das hat erhebliche Folgen.
"Bevor ich aufgehört hab, war es am Ende pro Tag mindestens eine Flasche Wodka, wenn nicht mehr plus halt mehrere Biere und alles, was so an Schnäpsen da war […]. Bis zum Leberschaden, ich hatte gelbe Augen, ich hatte Ödeme in den Beinen und Blutdruck bist sonst wo hin […] und ich hätte längst zum Arzt gemusst, aber dann gehst du natürlich nicht, weil sonst wüsste man ja, man hätte ein Problem." – Dennis Kassel


Dass etwas mit ihm nicht stimmt, merkt Dennis natürlich.

Immerhin wandert sein erster Griff morgens zum Kühlschrank. Eingestehen will er es sich anfangs allerdings nicht und auch sein Umfeld spricht ihn nur ganz vereinzelt auf seinen Alkoholkonsum an – eher wegen des Geruchs. Und meistens merkt man es Dennis auch nicht an, denn er funktioniert in der Gesellschaft. Seine normale Phase ist allerdings dann, wenn er seinen Pegel hat. Und diesen Pegel hat er eben rund um die Uhr.

Der Ausweg

Dann beginnt Dennis aber trotzdem mal, sich damit auseinanderzusetzen und googelt. Auf was er dann stößt, beunruhigt ihn und macht ihm Angst: Eine Prognose von zwei bis fünf Jahren, wenn er so weiter macht, außerdem irreversible Schäden. Was ihn letztendlich dazu bewegt, mit dem Trinken aufzuhören, ist sein kleiner Sohn. Die Angst, nichts von ihm zu haben und andersherum ist größer als die Angst vor dem Entzug.



Klischees und gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Alkoholiker*innen

Wenn du dir eine*n Alkoholiker*in vorstellst, welches Bild hast du dann im Kopf? Bei vielen ist es vielleicht eine ältere Person, männlich, ungepflegt, die auf der Parkbank sitzt und immer ein Bier in der Hand hat. Genau dieses Klischee stimmt aber schon lange nicht mehr, wenn es denn überhaupt einmal gestimmt hat. Das bestätigt auch Dennis. Seinen Weg aus der Abhängigkeit hat er aufgeschrieben und mittlerweile macht er über das Thema auch den Podcast Nüchtern Betrachtet. Rückmeldungen darauf bekommt er für ihn anfangs unerwartet zu 70 bis 80 Prozent von Frauen. Mittlerweile weiß er, dass die Alkoholabhängigkeit mitten in der Gesellschaft ist.
"Das ist der normale Arzt, das ist aber auch die 33-Jahre alte Mutter, das ist halt fast durch die Bank jeder. Es kann jeden treffen. Die Schwierigkeiten, wann du zum Alkoholiker werden kannst, die Weichen werden viel früher gestellt. Auf der Parkbank ist vielleicht unser letztes Bild, aber das Bild stimmt so nicht mehr." – Dennis Kassel

Ab wann ist man alkoholabhängig?

Der Konsum von Alkohol ist für jede*n individuell. Pauschal lässt sich also nicht sagen, ab wann man ein Alkoholproblem hat. Dennis ordnet es so ein: Wenn du jetzt sofort, ohne mit der Wimper zu zucken, 30 Tage lang auf Alkohol verzichten müsstest und dir das etwas ausmacht, dann solltest du dir Gedanken über deinen Konsum machen. Genauso dann, wenn du WEGEN etwas trinkst, sei es, um mutiger und sozialer zu werden oder um etwas zu verdrängen. Alkohol ist intelligent und tückisch, warnt Dennis. Er erzählt einem genau das, was man hören will.


Wunsch von der Gesellschaft

Nach wie stößt man wie selbstverständlich bei tollen Nachrichten mit einem Glas Sekt an, macht sich bei Kummer oft eine Flasche Wein auf, genießt einen Abend im Club nur mit drei Bier und mehreren Shots intus und gilt als "cool", wenn man möglichst viel verträgt. Gerade deshalb wünscht sich Dennis mehr Bewusstsein über die Gefahren von Alkohol. Vor allem junge Leute sollten besser darüber aufgeklärt werden, findet er.
"Es muss nicht per se cool sein, was zu trinken, sondern wenn man so bei sich ist und bei sich bleiben kann, ohne das zu brauchen, das ist viel viel cooler." – Dennis Kassel



An wen wendet man sich, wenn man ein Alkoholproblem hat?

Mittlerweile gibt Dennis anderen Tipps, um es aus der Abhängigkeit zu schaffen. Er hat einen Podcast, macht Aufklärungsarbeit auf seinem Instagram-Account und bietet Hilfsprogramme und Mentorings an. Wer Hilfe braucht, dem kann es laut Dennis helfen, sich erst mal im Internet zu informieren. Mittlerweile gibt es eine große Szene, die sich online gegenseitig unterstützt, Tipps gibt und Geschichten erzählt, mit denen man sich dann vielleicht identifizieren kann. Außerdem gibt es viele Bücher über das Thema und nach wie vor Gesprächsrunden vor Ort, zu denen man gehen kann. Wir haben dir unten außerdem ein paar Beratungsstellen aufgelistet, an die du dich wenden kannst.

Und wie hilft man jemandem im Umfeld?

Zu 90 Prozent, sagt Dennis, kann man anderen nicht helfen, wenn sie es nicht selbst wollen. Aber auch hier kommt es individuell auf die Person an: Es gibt Menschen, die streiten sofort ab, dass sie ein Problem haben und tun alles, damit ihre Abhängigkeit nicht herauskommt. Manche fahren sogar verschiedene Kioske, Getränkemärkte oder Altglascontainer an, um die Menge ihres Konsums zu verbergen. Andere geben vielleicht zu, dass sie strugglen, wissen aber nicht, was sie tun sollen. Hier kann es helfen, einfach mal darüber zu sprechen. Laut Dennis macht das den Irrsinn möglicherweise plastischer. Bei engen Personen ist es auch für sich selbst besonders wichtig, sie möglichst früh darauf anzusprechen. Wenn es in die falsche Richtung geht, rutscht man leicht in eine Co-Abhängigkeit, betreibt damit unbewusst suchtförderndes Verhalten gegenüber alkoholabhängigen Menschen und vernachlässigt dabei eigene Bedürfnisse und Emotionen.
"Bildlich gesehen ist es so, dass der Trinkende quasi ein Ertrinkender auf dem See [ist] und der würde dich mit runterreißen. Du musst halt kucken, dass du selber als Betroffener dich eher am Ufer aufhältst und dich so weit ready machst, dass du, wenn die andere Person deine Hilfe braucht, dass du überhaupt noch die Kraft dazu hast." – Dennis Kassel


Hilfsangebote für alkoholabhängige Menschen

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