Last Night in Soho

Last Night in Soho

egoFM Trailer

Von  Fabian Broicher
Mit seinem neuen Film wagt sich Regisseur Edgar Wright an einen klassischen Psychohorror, gespickt mit vielen Twists. Ob das Setting der Swinging Sixties funktioniert, weiß Fabian Broicher aus der egoFM Kinoredaktion.

Betrachtet man die bisherige Filmografie von Edgar Wright, verwundert es etwas, dass der Brite noch keinen Horrorfilm abgeliefert hat. Schließlich gelang es ihm mit Shaun of the Dead und The World’s End meisterhaft, unheimliche Bedrohungen wie untote Leichen und bedrohliche Aliens mit zum Niederknien humorvollen Handlungen zu verbinden. Gleichzeitig beweisen seine Arbeiten an Marvels Ant-Man sowie Baby Driver, was für ein glückliches Händchen und welch klugen Blick Wright bei Actionsequenzen besitzt. Mit Last Night in Soho, seinem neuen Film, traut er sich schließlich doch an Psychohorror, dem es jedoch nicht, wie für Wright üblich, an einem atemberaubenden Setting mangelt.

Worum geht's in Last Night in Soho?

Eigentlich geht für Ellie, ein Landei, die bei ihrer Großmutter lebt, ein absoluter Traum in Erfüllung, als sie eine Einladung ans London College of Fashion erhält. Als angehende, durchaus talentierte, allerdings mit etwas kuriosem Geschmack gesegnete Designerin, träumt sie bereits ihr ganzes Leben von der Weltmetropole im Herzen Englands. Besonders haben es ihr die sechziger Jahre angetan: In ihrem Zimmer prangt ein Poster von Audrey Hepburn und am liebsten hört sie die alten Schallplatten aus der Sammlung ihrer Großmutter. Doch als sie im heutigen London ankommt, wird sie schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Studierenden, die sie kennenlernt, erweisen sich als feierwütig und oberflächlich; die Begegnung mit einem Taxifahrer, der sie anzubaggern versucht, verläuft in höchstem Maße unangenehm.

Also beschließt sie sich dazu, aus dem Wohnheim aus- und bei der liebenswürdigen älteren Dame Miss Collins einzuziehen. Doch je länger Ellie in London lebt, umso mehr scheint sich die Stadt in ihre Gedanken zu schleichen. Bald schon beginnt sie, beängstigend real wirkende Träume zu erleben, in denen sie in ihre Lieblingsdekade, die Swingin' Sixties, zurückreist und durch die Augen der angehenden Sängerin Sandy hautnah alle Höhen und Tiefen des entsprechenden Lifestyles erlebt. Anfangs genießt sie die nächtlichen Ausflüge noch, doch als sie zunehmend unheimlicher werden, gerät sie in Panik. Die Grenzen zwischen Realität und Traum scheint immer mehr zu verschwimmen, bis sie schließlich Zeuge des Mordes an Sandy wird. Daraufhin beschließt sie in der Überzeugung, dass der Täter noch frei herumläuft, ihn auf eigene Faust zu jagen.

  • Fabian über: Last Night in Soho
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Die atmosphärische Ästhetik, die Edgar Wright für Last Night in Soho findet, überzeugt auf ganzer Linie – auch wenn man anfangs nicht so recht glauben mag, welcher Horrorfaktor in den glitzernden Abendkleidern und maßgeschneiderten Anzügen der Londoner Nachtclubszene der Sechziger steckt. Anya Taylor-Joy, die Sandy verkörpert, sieht mit blonder Dusty-Springfield-Gedächtnis-Haartolle wirklich wie eine Sängerin aus den Swinging Sixties aus. Und Wright beweist hier nach Baby Driver erneut, wie perfekt er Musik einzusetzen weiß.

Besonders beeindrucken die bissigen Anspielungen auf die toxische Männlichkeit, mit denen der Film erschreckende Parallelen zwischen unserer heutigen Zeit und einer längst vergessen geglaubter Vergangenheit aufzeigt – sicherlich ein Kommentar von Wright und der Oscar-nominierten Drehbuchautorin Krysty Wilson-Cairns zum Thema #MeToo. Neben Taylor-Joy, die übrigens eine charmant-lässige Version von "Downtown" singt, überzeugt vor allem Matt Smith als ihr schmieriger Manager. Doch irgendwie bleibt das ganz große Grauen auf der Strecke, da die unausgegorenen Schockmomente allzu schnell verpuffen.

Alles in allem also ist Wright mit Last Night in Soho zwar ein dank vieler Wendungen unterhaltsamer, nichtsdestotrotz etwas träger Film gelungen, für den es leider nur zu 6 von 10 tragbaren Plattenspielern reicht.

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