Kein Cash für obdachlose Menschen?

Kein Cash für obdachlose Menschen?

Meinung: Warum ich als Bargeldhasserin trotzdem immer ein paar Münzen dabei habe

Von  Miriam Fischer
Ich hab das Bargeld aus meinem Leben gestrichen - allerdings mit einer Ausnahme: Denn für obdachlose Menschen sollte tatsächlich jede*r immer ein paar Münzen griffbereit haben.


Kontaktlos bezahlen ist en vogue

Seit Beginn der Pandemie wird vermehrt auf Bargeld verzichtet und sogar bei der Bäckerei steht inzwischen auf kleinen Schildchen "bitte möglichst kontaktlos bezahlen" - say no more! Ich hasse Bargeld ohnehin und habe sicher seit drei Jahren nirgends mehr mit Cash bezahlt. Und damit fahre ich eigentlich auch ziemlich gut - zumindest die meiste Zeit... Denn meine Abneigung gegen Bargeld hat mich tatsächlich immer wieder in eine unangenehme Situation gebracht:

Wenn mich in der Stadt jemand gefragt hat, ob ich etwas Geld übrig habe, wollte ich eigentlich automatisch sagen "ja klar, einen Moment", hab dann aber immer häufiger gemerkt, dass ich auch in der letzten Jackentasche irgendwann keine Münzen mehr finde. Dementsprechend musste ich immer öfter ein "puh ne sorry, doch nicht, ich hab überhaupt kein Bargeld" hinterher stammeln. Denn so scheiß privilegiert wie ich bin, hab ich mit Bargeld nichts mehr am Hut, sondern halte einfach überall nur noch mein Smartphone hin (und reg mich grundsätzlich auf, wenn ich irgendwo nicht mit meinem Handy zahlen kann). Nervige Münzen hab ich liebend gerne aus meinem Alltag verbannt und Scheine existieren bei mir höchstens noch als Notfallscheine in irgendeinem versteckten Fach im Geldbeutel.

Und damit bin ich nicht alleine: Klar, die Deutschen lieben ihr Bargeld (Münzen und Scheine sind hierzulande immer noch das beliebteste Zahlungsmittel), aber auch das verändert sich eben nach und nach und die Zahl derer, die Bargeld regelmäßig nutzen, sinkt jährlich. Und das merken auch obdachlose Menschen, denn die spontanen Spenden werden weniger, vor allem seit Beginn der Pandemie. Da achtet sowieso jede*r noch mehr auf Abstand und versucht möglichst mit keinen fremden Menschen in Kontakt zu kommen. Auch nicht mit Obdachlosen, die nach einer Spende fragen. 

Dabei ist es tatsächlich das barest minimum, das wir privilegierten Durchschnittsbürger*innen tun können: Obdachlosen Menschen Geld geben

Denn wer nicht eh schon ehrenamtlich tätig ist, sowieso Organisationen, Suppenküchen und Heime unterstützt oder direkt mit obdachlosen Menschen in Kontakt tritt, sollte wenigstens ein bisschen Kleingeld übrig haben - das gilt auch für mich Bargeldhasserin. Und da braucht mir jetzt auch niemand mit irgendwelchen Scheinargumenten kommen wie zum Beispiel, dass mit dem Geld Alkoholkonsum oder Bettelmafias unterstützt werden. Ja, so what? Was genau wird denn dadurch besser, dass ich nichts gebe? Würde ich auf der Straße leben, würde ich mir auch Alkohol kaufen und woher soll ich überhaupt wissen, ob jemand Teil einer "Bettelmafia" ist oder nicht?

Für organisierte Kriminalität beim Betteln gibt es ohnehin keine offiziellen Zahlen.

Und selbst wenn ich vielleicht mit jeder 10. Spende kriminelle Strukturen aufrechterhalte, hab ich immer noch neun Mal tatsächlich Menschen geholfen - kein schlechter Schnitt, oder? Und klar kannst du auch Getränke oder Essen spenden, aber dann frag bitte vorher, was er*oder sie gerne hätte. Es geht ja schließlich darum zu helfen und nicht darum, Moralapostel zu spielen. Und sowieso: Wenn du die Strukturen ändern willst, musst du schon mehr tun, als bettelnden Menschen Geld zu verwehren. Aber mehr wertvolle Tipps zum Umgang mit obdachlosen Menschen findest du hier.

Mein Punkt ist ein anderer: Ich bin echt kein Fan von Bargeld, aber ich schau inzwischen darauf, dass ich möglichst immer ein paar Münzen dabei habe - auch oder viel mehr vor allem während einer Pandemie, unter der auch obdachlose Menschen so enorm leiden. Und vielleicht ist das ja ein kleiner Anstoß für dich, es mir gleich zu tun. Denn in Anbetracht dessen, wie sehr wir beim Thema Digitalisierung hinterherhinken, kann es wohl noch sehr lange dauern, bis wir auch in Deutschland obdachlose Menschen via QR-Code oder Ähnliches finanziell unterstützen können. Und solange streiche ich die nervigen Münzen sehr gerne doch noch nicht komplett aus meinem Leben.

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