"Fühl dich wie zuhause"

"Fühl dich wie zuhause"

Warum Gastfreundschaft so wichtig ist

Sicherlich hat jede*r Gastfreundschaft in irgendeiner Form schon mal erlebt. Sei es im Urlaub, bei Freund*innen oder auch wenn man selbst jemandem die Couch für eine Nacht angeboten hat.

Der Sommer geht zu Ende und so langsam kommt auch der*die letzte Urlauber*in wieder von seinen*ihren Reisen zurück. Im Gepäck hat man meist einen Haufen dreckiger Wäsche, Staubfänger in Form von Mitbringseln und eine Menge neuer Erfahrungen und Eindrücke.

Nicht selten wird nach dem Urlaub von der unerwarteten Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Einheimischen in ihrem Reiseziel erzählt. Gastfreundschaft wird in jedem Land und in jeder Kultur unterschiedlich verstanden und gelebt und basiert auf einem Urvertrauen den Menschen gegenüber.

Es geht dabei um eine gewisse Herzlichkeit, die in der Regel nicht auf Vorteile oder einen Gewinn abzielt und keineswegs selbstverständlich ist.

Gastfreundschaft weitergeben

Auch wenn wir nach dem Urlaub recht schnell wieder in unseren Alltag zuhause zurückfinden, sollten wir uns von unseren Eindrücken und Erfahrungen auf Reisen inspirieren lassen. Sei es die Einladung von Freunden*innen zum Essen oder eine Übernachtung auf der Couch, weil der*diejenige seinen*ihren Zug verpasst hat.

Gastfreundschaft ist deutlich mehr als ein Zeichen von Höflichkeit.

Und wer gastfreundlich zu anderen ist, wird meist auch selbst mit offenen Armen empfangen.


Auch die egoRedaktion erinnert sich gerne an Geschichten, bei denen wir Gastfreundschaft erlebt haben:


Wiesn-Besucher findet nicht nach Hause:

"Unsere Hausgemeinschaft ist besonders zur Wiesn-Zeit sehr gastfreundlich. Letztes Jahr hab ich einen Australier mitten auf dem Festgelände aufgegabelt - an einen Laternenmast gelehnt. Er sah nicht mehr so aus, als könne er auch nur noch allein aufs Klo gehen, geschweige denn seine Unterkunft finden. Ich hab ihn gefragt, ob ich ihn ins Taxi setzen soll. Er hat dankend angenommen, hat aber vergeblich versucht, dem Fahrer zu erklären, wo er hin muss.. "Please to Salkirsche"... Ich hab ihn dann lieber mit nach Hause genommen. Nach indischem Essen und gemeinsamer großer Poker-Runde haben wir dann endlich erraten können, wo der arme Australier hin will: Thalkirchen! Auf den Campingplatz. Es hat in Strömen geregnet - er hat meine Couch bekommen." (Elise - Moderation)

Mit Tinder durch Mailand:

"Im Februar war ich mit einer Freundin in Mailand. Wir hatten uns im Vorhinein nicht um eine Bleibe gekümmert und wollten dann direkt dort nach etwas zum Schlafen suchen. Vor Ort haben wir dann erfahren müssen, dass alle - wirklich ALLE - bezahlbaren Unterkünfte aufgrund der Fashionweek schon belegt waren. Nachdem wir sämtliche Ideen durchgegangen waren (im Park schlafen war auch dabei, aber es war einfach zu kalt), hab ich mir tinder runtergeladen und alle Kerle auf "Match" geschoben. In einer Nachricht hab ich ihnen dann erklärt, dass wir nur da pennen wollen. Ein Herr namens Mattia, der vertrauenswürdig wirkte, hat gesagt, er komme gerade von der Arbeit, würde jetzt heimfahren und könne uns zu sich mitnehmen. In der Not haben wir ja gesagt. Wir sind mit ihm ins Taxi (er hat gezahlt) und haben bei ihm Wein und Essen bekommen. Irgendwie war er glaub ich schon enttäuscht, dass wir beide auf der Couch geschlafen haben, aber was soll's. Am nächsten Tag bin ich aufgewacht und es lag ein Zettel da, dass er schon zur Arbeit musste. Wir sollten so lange bei ihm bleiben, wie wir wollen und hinter uns einfach die Tür zuziehen. Das Ganze hat erstaunlich gut funktioniert, aber vielleicht sollte ich mich in Zukunft einfach früher um eine Übernachtungen kümmern." (Kristina - Praktikantin Onlineredaktion)

Irgendwo in Afrika...

"2008. Im nördlichsten Südafrika, genauer gesagt in der Limpopo Region. Volunteering. Alleine. Soll heißen: geschlafen habe ich in einem Zelt inmitten von den absurdesten Insekten, Pavianen, Gnus, Geparden, Leoparden (habe ich erwähnt, dass mein Zelt nicht umzäunt war?). Das Land wurde von Anthony und Emma gehegt und gepflegt, die beide so alt waren wir ich. Ich war alleine unterwegs und die Einzige, die sich dort zur Freiwilligenarbeit angemeldet hatte. Dementsprechend eng wurde unser Verhältnis. Emma und Anthony haben mir alle Einheimischen vorgestellt, die dort für sie gearbeitet haben. Ich habe in Hütten geschlafen, habe traditionelle Gerichte kennengelernt, wurde in die ganze Thematik Südafrika - Hunting - Wildlife eingeführt, habe mitbekommen, wie Jacob Zuma zum damaligen Präsidenten gewählt wurde - ich war die ganze Zeit mittendrin. Fast schon als Familienmitglied und nicht als "das Mädel, das aus Europa kommt und alles besser weiß". Diese knapp drei Monate waren die bisher intensivsten und schönsten meines Lebens. Nicht nur, weil ich so tolle und unterschiedliche Menschen kennengelernt habe, die mich so herzlich aufgenommen haben. Sondern auch, weil ich danach wusste, was ich alle habe und dass nichts selbstverständlich ist." (Anna - Moderation)

In Namibia ein Zuhause gefunden:

"Die gastfreundlichsten Menschen habe ich mit Abstand in Namibia kennengelernt. Nach dem Abi bin ich dorthin zum Arbeiten gegangen und habe mitten in der Wüste in einem Environemental Education Centre gelebt. Am Ende meiner Zeit hatte ich dort ein paar Einheimische kennengelernt und kurzerhand beschlossen, mit ihnen noch eine Rundreise durch das Land zu machen. Ich wurde so warmherzig bei deren Familien aufgenommen, sowas habe ich nur selten woanders erlebt. Egal bei welchem der gefühlt 100 Cousins, Tanten oder Geschwister wir waren, sie haben dich mit offenen Armen empfangen, alles was sie hatten (und das war meistens eh sehr sehr wenig) mit dir geteilt - ohne mit der Wimper zu zucken. Ich habe mich in diesem Land einfach von Tag eins an wie "Zuhause" gefühlt und habe unfassbar tolle Menschen und deren Zuhauses kennengelernt." (Laura - Marketing)

Das Drehbuch zum Independent-Film:

"Mein Freund und ich sind gemeinsam auf die Philippinen geflogen - wir haben uns dann auf einer kleinen Insel getrennt. Ich hatte keinen Bock mehr, mit ihm eine Ferienwohnung zu teilen. Ein Lady-Boy, mit dem ich mich schon seit Beginn an auf der Insel angefreundet hatte, hat mich mit zu seiner Familie in eine Lehmhütte ohne Dach genommen. Dort hab ich dann für eine weitere Woche gewohnt. Es war sensationell. Wir haben Suppe aus Blättern gekocht, haben nachts am Strand gelegen und wenn wir doch in der Hütte aufgewacht sind, wanden sich über uns die Schlangen durch die Palmbäume. Frische Kokusnüsse waren unser Frühstück, mit Motorrädern sind wir über die Insel gedüst, nachmittags sind wir Schnorcheln gegangen und meinen Geburtstag hab ich mit ganz vielen Philippinos in einer kleinen Cocktailbar am Strand gefeiert - dazu gab es selbst gekochtes philippinisches Essen von Familien, die mitgefeiert haben. Am Ende hab ich meiner Gastfamilie Geld und den Inhalt meiner Koffer geschenkt - das Geld haben sie nicht angenommen, aber meine Jeans, Kleider, Pullis und Shirts wurden fleißig und gerecht aufgeteilt. Mehr Gastfreundschaft ging nicht." (Elise - Moderation)

Mit Palmschnaps auf Bali gemeinsam feiern und Radiofreunde in Indien besuchen

"Da ich gerne reise, durfte ich auch schon oft Gastfreundschaft erfahren. Auf Sri Lanka bin ich bei einem Fischer und seiner siebenköpfigen Familie untergekommen. Menschen, die nichts haben, aber alles geben! Den Kindern habe ich meine T-Shirts, Deos und alles dagelassen, was sie wollten. In Indonesien hatten wir vor, den Mount Batur zu besteigen. Auf dem Weg dorthin waren wir noch essen und es wurde spät. Da hat uns ein Balinese spontan bei sich zuhause einquartiert und ich erinnere mich an eine mit Palmschnaps durchzechte Nacht auf seinem Dach. Ebenfalls ohne verlangte Gegenleistung. Dieses Jahr habe ich schließlich meinen Radiofreund Imraan in Ahmedabad besucht. Er hat uns ein komplettes Programm ausgearbeitet, uns zu den tollsten Orten gebracht und sein Indien gezeigt, was gerade beim Thema Streetfood sehr praktisch sein kann! Wir haben Klamotten getauscht und durften sogar in seinem Bett schlafen. So viel Gastfreundschaft kann einen ganz schön umhauen. Also Imraan: if you dont visit us, I kill you!" (Max - Moderation)


Schlafen auf den Sofas dieser Welt

Der Journalist und Autor Stephan Orth hat Gastfreundschaft schon auf ganz verschiedene Art und Weise erlebt. Er ist so ziemlich um die ganze Welt gereist und wahrscheinlich kennt keiner so viele verschiedene Sofas wie er.

Denn übernachtet hat er auf seinen Reisen nicht in Hotels oder Airbnbs sondern ausschließlich auf der Couch von Fremden.

In seinen Büchern berichtet er über seine Erfahrungen beim Couchsurfing in China, Russland und dem Iran. Moderatorin Anna hat mit Stephan im Interview über das gastfreundlichste Land und typische Länderklischees gesprochen.
  • Autor und Couchsurfer Stephan Orth im Gespräch mit Anna
    Das Interview zum Nachhören

Urlaub weit ab vom Tourismus

"Wenn man couchsurft, wird es nicht unbedingt ein typischer Urlaub. Das hängt aber auch davon ab, ob man alles mitmachen will oder ob man die Stadt allein erkunden will. Ich hab inzwischen für mich gelernt, dass die menschlichen Begegnungen so viel interessanter sind als alles andere auf Reisen, dass ich da gerne auch mal zwei Sehenswürdigkeiten sausen lass'." - Stephan Orth
Auf der Webseite Couchsurfing bieten Leute umsonst Unterkünfte für Reisende an. Neben der kostenlosen Übernachtung lassen die Anbieter*innen den*die Reisende*n oft an ihrem Alltag teilnehmen und zeigen den Urlaubsort aus einer authentischen Sicht. Soweit die Idee. Aber klappt das auch in der Realität?
"Als Tourist ist man manchmal isoliert und ein bisschen in der eigenen Touristenwelt drin. Durch das Couchsurfing taucht man direkt in den Alltag ein. Man geht mit zu irgendwelchen Studentenpartys, macht DVD-Abende und so weiter. Das ist eher das normale Leben, aber gerade da kann man viel über ein Land lernen." - Stephan Orth

Vom*n Studenten*in bis zum Rentnerpaar

Wenn man auf der Couch von Fremden nächtigt, erlebt man so einige interessante Dinge und trifft auf die unterschiedlichsten Personen. Die Mehrzahl der Gastgeber*innen und Besucher*innen, sagt Stephan, seien zwischen 20 und 35 Jahre alt. Viele befinden sich in diesem Alter gerade mitten im Studium und denken selbst ans Sparen beim Reisen.

Einmal hat er jedoch auch in Neuseeland bei einem 70 Jahre alten Pärchen übernachtet:

"Die fanden die Idee Couchsurfing einfach total spannend, weil sie selber nicht mehr viel reisen konnten. Früher sind sie wahnsinnig viel unterwegs gewesen und fanden es toll, Gäste zu haben, die sozusagen die Welt in ihre Wohnung brachten." - Stephan Orth

Eine der wichtigsten Regeln des sozialen Zusammenlebens

Für Stephan sei Gastfreundschaft eine ganz wichtige Seite des menschlichen Zusammenlebens. Etwas, das in unserer Gesellschaft ein bisschen verloren gegangen sei und das man wieder viel mehr pflegen müsse. Denn eigentlich sei es eine der ältesten sozialen Regeln der Welt, dass die Bewohner eines Dorfes Besuch früher zu sich nach Hause eingeladen haben und sich ihre Geschichten angehört haben.

Mit Abstand die größte Gastfreundlichkeit hat Stephan im Iran erlebt - bei über 70 verschiedenen bereisten Ländern, seien ihm die Menschen in diesem Land mit einer derartigen Offenheit und Herzlichkeit begegnet, wie er es sonst noch nicht erlebt hatte.



Zwischen Klischees und Wahrheiten

Negative Erfahrungen mit den Gastgebern*innen hat Stephan übrigens bis jetzt keine gemacht. Man muss auch dazu sagen, dass Stephan keine hohen Ansprüche an seinen Schlafplatz stellt und sowieso in jeder Art von Behausung schlafen kann. Lediglich einmal war in Russland der Mitbewohner*innen des*der Gastgeber*in sehr rassistisch und konnte es nicht lassen, fremdenfeindliche Äußerungen von sich zu geben.
"Eigentlich wäre ich da spätestens nach einem Tag abgereist, wenn ich nicht für ein Buch unterwegs gewesen wäre. In diesem Moment hab ich mir dann rein dramaturgisch gedacht 'ich hatte gerade zehn Wochen Russland mit lauter wahnsinnigen Erfahrungen und toller Gastfreundlichkeit hinter mit, da passt eigentlich ein Idiot ganz gut rein. Ich bleib jetzt hier, halt das aus und schreibe darüber'." – Stephan Orth
Sonst habe Stephan in Russland auch nur Gutes erlebt - obwohl Russland an der Oberfläche ein relativ abweisendes Land sein könne. Die Leute würden zum Beispiel nicht viel lächeln auf den Straßen und man fühle sich manchmal nicht so herzlich behandelt im öffentlichen Raum.


Doch sobald man im Wohnzimmer säße, habe man nach zehn Minuten das Gefühl, man gehöre schon zur Familie...

"Sobald man die Wohnungstür passiert hat, schlägt das total um." - Stephan Orth

Mit seinen Geschichten will Stephan ein authentisches Gesamtbild erzählen, dass das Land in einem ganz anderen Licht zeigt, wie wir es vielleicht oft in den Nachrichten präsentiert bekommen:

"Wir nehmen die Welt meist über die Nachrichten war, die Extreme und Katastrophen eines Landes beschreiben. Das ist natürlich die Natur der Nachrichten, sie vermitteln aber nicht unbedingt ein klares Bild von diesem Land." - Stephan Orth

Freundschaften schließen

Bei Stephan seien Couchsurfing-Übernachtungen schon öfters in Freundschaften übergegangen, die über Jahre hinweg erhalten blieben. Nicht weniger oft kommt es dann auch zu Gegenbesuchen, bei denen Stephan selbst gerne als Gastgeber fungiert. Eine Stadt oder sogar ein Land im Kern entdecken, die Kultur kennenlernen und vielleicht die ein oder andere Freundschaft schließen - diese Art von Urlaub entspricht ganz unserem Geschmack.



Du hast auch eine interessante Geschichte, bei der du in irgendeiner Art und Weise Gastfreundschaft erlebt hast? Erzähl' sie uns auf der egoFM Facebookseite oder per Whatsapp an die 089 / 360 550 460.

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